SOLARIS Offene Wunden
Ein Philosophie-Kurs im All Schon wieder ein Schnitt ins eigene Fleisch - ein Bild übriges, dessen Motivgeschichte auch einmal geschrieben werden sollte. Diesmal verletzt sich George Clooney als Chris Kelvin beim Gurkenschneiden. Später balanciert er dann sozusagen auf der Klinge: ist er er selbst oder sein eigenes Trugbild? Ist Solaris ein Angriff mit dem kulturellen Reste-Teller auf das Idioten-Kino? Oder ist es ein Fortschritt, das philosophische Original von Stanislaw Lem als Ehe-Rettungs-Institut im Weltraum zu verfilmen? Der Psychologe Chris Kelvin wird zu einer Raumstation gerufen, die um den seltsamen Planeten Solaris kreist. Deren Besatzung hat seelische Probleme mit "Besuchern", Menschenbildern, die wohl der Planet aus ihren Erinnerungen erschafft. Auch Chris kriegt eines ab, seine Frau Rheya (Natascha McElhone), die wohl in Wirklichkeit an unklaren Beziehungsfragen starb. Die neue Rheya erinnert sich daran, weil Chris sich so erinnert. Und der Zuschauer muss sich das Drama dahinter aus Flashback-Fetzen zusammensetzen. Schon vor Chris' Ankunft hat sich ein Wissenschaftler umgebracht, zwei weitere arbeiten an Methoden, die "Besucher" umzubringen, weil sie doch keine Menschen sind. Genau deshalb aber scheitern alle Anschläge, jede Wunde schliesst sich sofort. Schlimmer, die Besucher entwickeln ein Eigenleben, agieren unabhängig vom Planeten, der sie gebar, und haben existenzielle Fragen wie im Philosophie-Grundkurs: Wer bin ich? Kann ich anders sein? Gibt es Gott? Siegt die Liebe über alles? Weil es ein amerikanischer Film ist, siegt die Liebe, irgendwie; weil er europäisch aussehen soll, lassen die Bilder ständig große Teile des Geschehens weg oder in der Unschärfe; und weil es ganz und gar Soderberghs Film ist, gibt es wieder eine Cross-Cut-Sex-Szene, wie schon in Oceans Eleven , die wiederum auf das Vorbild von Wenn die Gondeln Trauer tragen anspielte: Chris und Rehya lieben sich, damals und heute, in der selben Szene, bis keiner mehr weiss, wer sich an was erinnert. Wir sind in einer ziemlich nahen Zukunft, die sehr weit entfernt von gängigen Science Fiction-Oberflächen ist. Nur einmal technofaseln sie da was von Hicks-Bosonen, meist halten sich die Protagonisten irgendwo fest und starren ins Dunkle. "Es gibt keine Antworten" sagt Ulrich Tukur als Seelen-Klon einmal, "es gibt nur Alternativen". Und es gibt Clooney, meist in Großaufnahme, mit vielen neuen Gesichtern, die alle ziemlich verstört aussehen. Chris Klein flieht in die Psychose, das ist jedenfalls eine Lesart. Und er sieht überhaupt nicht glücklich aus, wenn er am Ende in der Küche vom Anfang steht, Gurken schneidet, sich selbst verletzt und beinahe entsetzt beobachtet, wie sich seine Wunde schließt.
WING
USA 2002. R&B: Steven Soderbergh, nach dem Roman von Stanislaw Lem, K: Peter Andrews, D: George Clooney, Natasche McElhone, Viola Davis, Jeremy Davies, Ulrich Tukur
|