SEITENSPRÜNGE IN NEW YORK

Paarbildung

Das städtische Liebesleben ist kompliziert

New York ist ein hartes Pflaster für Beziehungssuchende. Bei einer Auswahl von 7 Millionen Einwohnern fällt die Entscheidung schwer. Das Tempo der Stadt gibt den Zögerlichen keine Chance, und die Coolness der New Yorker ist berüchtigt. Wer hier jemand kennenlernen will, muss sich schon etwas einfallen lassen.
Anhand von sechs Versuchspersonen betrachtet Edward Burns Seitensprünge in New York das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter. Zu Beginn berichten die Männer und Frauen zwischen 20 und 40 über ihr Liebesleben wie in einem Dokumentarfilm direkt in die Kamera hinein, bevor die Spielfilmhandlung sie miteinander verwebt. Burns selbst spielt Tommy, einen grundanständigen Iren aus Queens, der seine langjährige Geliebte mit männlichen Kinderwunschfantasien in die Flucht geschlagen hat. In einer Videothek trifft Tommy auf Maria (Rosario Dawson). Beide wollen Frühstück bei Tiffany ausleihen, Tommy weigert sich standhaft, Maria kavaliersmäßig den Vortritt zu lassen. Irgendwann landen die beiden dann doch im Bett, aber so kompliziert wie es anfing, geht es auch weiter. Maria hat sich gerade von dem windigen Möchtegernmusiker Benjamin (David Krumholtz) scheiden lassen und trägt aus der Beziehung eine solide Portion Skepsis gegenüber dem männlichen Treueverhalten mit sich herum. Benjamin kratzt immer noch in regelmäßigen Abständen erfolglos an der Tür seiner Ex-Frau, was ihn jedoch nicht davon abhält, zur gleichen Zeit die junge Diner-Angestellte Ashley (Brittany Murphy) anzugraben. Ashley kommt aus Iowa und durchlebt gerade in einer Mittagspausenbeziehung mit dem verheirateten Zahnarzt Griffin (Stanley Tucci) ihre ersten Großstadtenttäuschungen. Griffins Frau Annie (Heather Graham) ist in der wohlanständigen Upper Westside aufgewachsen und studiert die Ausflüchte ihres Gatten mit zunehmender Ungeduld. Bei einer Wohnungsbesichtigung lernt die schmucke Immobilienmaklerin Tommy kennen, womit sich der großstädtische Beziehungsreigen schließt und das amouröse Chaos komplettiert wird.
Seitensprünge in New York ist keine dieser sorgfältig durchkonstruierten Mehrfachliebesgeschichten, die nur darauf ausgerichtet sind, jeden Fisch mit dem entsprechenden Fahrrad zu versorgen. Burns gibt den Charakteren genug Freiraum und legt nicht für jede Figur ein romantisches Happy End als Zielvorgabe zurecht. Der dokumentarische Stil des Films ist ein Fake. Der eigentliche Realismus steckt hier in den direkt formulierten Dialogen und der emotionalen Glaubwürdigkeit der Figuren. Indie-Filmer Burns ( She´s the One ) hat ein exzellentes Schauspieler-Sextett zusammengestellt, das sich um Kopf und Kragen spielt, ohne in aufgeregtes Overacting zu verfallen. Stanley Tucci als selbstgefälliger Betrüger ist ein brillant schillernder Miesling, Brittany Murphy ist umwerfend als naiv-selbstbewusstes Provinzküken. In ihrer redseligen Beziehungsunfähigkeit erinnern Burns Charaktere manchmal an Woody Allens Stadtneurotikerfiguren. Ihr therapeutisches Vokabular ist jedoch nur flüchtig angelesen, und in ihren Liebesverhandlungen stehen sie sich eher durch ihr besonnenes Kalkül als durch hysterische Orientierungslosigkeit gegenseitig im Wege. So geschwätzig unterhaltsam diese New Yorker Beziehungskomödie auch daherkommt, so schmuggeln sich doch immer wieder melancholische Zwischentöne ins turbulente Geschehen ein. Das ist keine schlechte Mischung. Wer sich von romantischen Spießerkomödien wie Kate & Leopold verarscht fühlt, ist in Seitensprünge in New York gut aufgehoben.

Martin Schwickert

Sidewalks of New York USA 2001 R&B: Edward Burns K: Frank Prinzi D: Edward Burns, Rosario Dawson, Heather Graham, David Krumholtz,