SHUT UP & SING!

Verletzte Gefühle

Wie eine Country-Damenkapelle sich mit den Rednecks im Lande anlegte

Die amerikanische Country- und Westernszene ist zu großen Teilen ein erzkonservativer Haufen. Die Dixie Chicks verdienen seit 1989 mit Bluegrass und Main-stream-Country ihre Brötchen und lebten auch von dieser Szene. Mit 30 Millionen verkauften Alben bildeten Natalie Maines, Emily Robinson und Martie Maguire die erfolgreichste US-Frauenband aller Zeiten.
Und dann kam der 10. März 2003, an dem sich Leadsängerin Natalie Maines bei einem Londoner Auftritt zu einer Bemerkung hinreißen ließ: "Wir schämen uns dafür, dass der Präsident der Vereinigten Staaten aus Texas stammt." Das war insofern weitsichtig und gut gefühlt, als dass der Irak-Krieg erst Tage später begann. Und es war mutig, weil selbst liberale Blätter sich zu jener Zeit von einer Welle dümmlichsten Patriotismus durch George Bushs Klo spülen ließen. Der Aufschrei der Rednecks in den USA war gewaltig. Drohbriefe, Protestdemos, Radioboykott, öffentliche Vernichtung von Tausenden von Chicks-CD waren die Folge. Die Band knickte nicht ein.
Drei Jahre begleitete Barbara Kopple (Harlan County, USA) und Cecilia Peck die Chicks. Was nur als Beobachtung einer erfolgreichen Frauenband geplant war, wurde notgedrungen zum Portrait dreier Frauen, die sich mit ihrer eigentlich harmlosen Musik plötzlich mitten im politischen Kampf wiederfinden. Shut up And Sing (eigentlich der Buchtitel einer Right-Wing-Publizistin, die Musikern und Künstlern empfiehlt, nicht über Politik zu reden und besser das Maul zu halten) ist das Ergebnis von drei Jahren Chicks-Watching in schwierigen Zeiten.
Vieles beschränkt sich dabei auf eher belanglose Plaudereien im Backstagebereich, die Vorstellung neuer Songs oder schnappschussartige Einblicke ins Privatleben. Etwas zu kurz kommt etwa der eigenwillige Umgang von US-Presse und -Radio mit der Meinungsfreiheit: Gesagt werden darf prinzipiell alles, nur wehe, du tust es!
Andererseits will der Film auch nicht mehr sein als eine Beobachtung: Drei mutige Frauen mit moralisch nicht verhandelbaren Grundsätzen sehen sich plötzlich einer Flut von Feinden gegenüber. Und reagieren unglaublich cool.
Daneben ist der musikalische Umgang der Dixie Chicks mit den Anfeindungen sehenswert. Äußerst strategisch beziehen sich die Damen in ihren neuen Liedtexten auf das Geschehene. Sie wollen den Spagat schaffen, die Wogen zu glätten, ohne sich selbst zu verraten. Das ist ihnen glänzend gelungen, und ihnen dabei zuzusehen ist eine Freude.

Oliver Zimmermann/ Thomas Friedrich

USA 2006, R: Barbara Kopple, Cecilia Peck, D: Natalie Maines, Emily Robison, Martie Maguire; 93 Min.