SHORTBUS

Sex and the City

Feiern und Vögeln: Wenn New Yorker sich paaren

Man trifft sich im Sex-Club, redet über Probleme - von der Bindungsunfähigkeit bis zum fehlenden Orgasmus - geht in den "Sex-Not-Bombs-Room", wo jeder mit jedem und alle quer durcheinander vögeln: Sex in New York kann so einfach sein. Und sehr witzig.
John Cameron Mitchell, der zusammen mit seinen Schauspielern in einem einjährigen Workshop die Story zu Shortbus entwickelte, hält fröhlich und gleichmütig auf alles drauf, was sich bewegt. Ob Tränen oder Sperma - alles wird gezeigt. Oder wie der Regisseur sagt: "Im übrigen sind alle im Film gezeigten Orgasmen echt!"
Die Schauspieler vögeln hier wirklich miteinander. Wer dabei als Hetero keinen schwulen Kerle-Sex erträgt, muss draußen bleiben. Dafür entgeht ihm aber eine der wunderbarsten und komischsten Sex-Szenen der Filmgeschichte, in der drei Männer und eine Nationalhymne vorkommen ("Hat dir jemals jemand zuvor 'Star Spangeld Banner" in den Arsch geblasen?").
Immer wenn es zum Sex kommt, wird der Film sanft, die Zeit scheint stehen zu bleiben (im Film beschreibt eine Frau ihren mächtigsten Orgasmus genau so), es gibt keine Probleme mehr.
Weil das ein New Yorker Film ist, ist er natürlich nicht so blöd, das als Idylle stehenzulassen. Die Figuren haben alle ihre Last mit Sex und Beziehungen, Depression, Missbrauchserinnerung und Blockaden. Das nette ist nur: ohne zu verkleistern, zu beschönigen behält Shortbus einen komischen, bisweilen zynischen Tonfall bei. Sex und Befriedigung sind wichtige Themen (wobei die auftretenden Personen sich noch nicht einmal darüber einig sind, ob zu wirklich gutem Sex mehr als eine Person erforderlich ist), aber eigentlich geht es um andere Dinge: "Früher wollte ich mal die Welt verändern, heute geht es nur noch darum, einen Raum in Würde verlassen zu können" sagt einer der Figuren.
Es gibt Geschichten. Eine Sex-Therapeutin kriegt keinen Orgasmus, eine Domina hasst ihre Kunden wirklich, ein schwuler Stricher erträgt keine Liebe - da werden Biografien angerissen und entwickelt, die sich zu berührenden, nie aufgesetzt (und doch komisch) wirkenden Geschichten schnüren. Das sieht abwechselnd aus wie Robert Altman oder John Cassavates, allerdings mit mehr Humor und Körperflüssigkeiten.
Man nimmt einander wichtig, aber nicht ernst. Shortbus ist witzig, aber nicht albern. Er hat keine Botschaft, aber ein Anliegen. "Wir alle kommen nach New York, um Vergebung zu erlangen", sagt ein sehr alter, freundlicher Herr im Sexclub, der nur zum Zuschauen gekommen ist. "Was war Ihre Sünde?", fragt der sanfte Jüngling. "Oh, ich war hier mal Bürgermeister", sagt der alte Herr.
AIDS, Terrorismus und der 9/11 kommen am Rande vor, sind nicht der Rede wert. Am Ende gibt es einen großen, stadtweiten Stromausfall: die Stadt New York hat der Animationskünstler John Bair als bezaubernde 3D-Grafik erschaffen, und dann lässt er überall die Lichter ausgehen, nur im "Shortbus" ist es hell... die Besucher stellen einfach ein paar Kerzen ins Fenster und feiern und vögeln weiter.

Victor Lachner

USA 2006. R & B: John Cameron Mitchell. K: Frank G. DeMarco. D: Sook-Yin Lee, Paul Dawson, Lindsay Beamish, PJ DeBoy