SHERLOCK HOLMES

Mit Faust und Pfeife

Der Meisterdetektiv als viktorianischer James Bond

Erst kommt der Plan. Hau ihm auf die Ohren!, denkt sich Holmes, noch bevor er seinen Gegner sieht. Schnür ihm die Kehle zu, reiss ihm die Beine weg! Und während Robert Downey Jr. irgendwo in den Katakomben unter London hockt und sich seinen Angriff vorflüstert, lässt Guy Ritchie ihn in Slow Motion vorführen, was demnächst kommen soll. Dann kommt es auch. Im Zeitraffer. Wupps. Schwupps. Rumms. Der neue Holmes schlägt furios ein. Und das Mittel, Plan und Ausführung zweimal zu erzählen, hat dem Regisseur so gut gefallen, dass er es noch schier ein Dutzend mal einsetzt. Sogar ganz am Ende, wenn Holmes am Himmel über London, auf dem Gerüst der gerade erbauten Tower Bridge, nochmal im Rückblick erklärt, was eigentlich vorgefallen ist.

Nämlich vor allem: Eine seltsame Rückwärtsmodernisierung des klassischen Superdetektivs. Eigentlich würde Conan Doyles Meisterdenker ja heute gut in ein CSI-Setting passen, aber den wissenschaftlichen Ansatz reduziert Ritchie bis auf dekorativ herumstehende Laborgerätschaften. Dafür kriegt der analytische Geist deutlich Körper, ficht wie ein Pirat und kann sich prügeln wie ein Preisboxer.

Sodann: Eine leichte sexuelle Verschiebung. Holmes kriegt eine Bettszene, und Watson, ein schöner junger Watson (Jude Law), zieht aus der gemeinsamen Wohnung in der Baker Street aus, weil er heiraten will. Deshalb kabbeln sich die beiden in den Action-Pausen, als wären wir in einer Art Lethal Weapon , nur eben mit Kutschen und Gaslicht.

Schließlich: Ein Solo für Robert Downey Jr., der sich ganz wunderbar in die Rolle des Dunklen Ritters der Aufklärung fügt. Mit Wumms und Witz stört er am Anfang ein satanistisches Ritual, übergibt den Fiesling der Polizei, und mag es später nicht glauben, dass der Gehenkte aus dem Grabe auferstand und nun die Welt per Geheimbündelei und viel Magie beherrschen will.

Holmes muss wieder einmal für die Logik streiten und für die Moderne, gegen Pentagramme und Aristrokratie, aber zugleich auch für den Einzelgänger und gegen das System. In Downeys Augen und Bewegungen ist da mehr Feuer zu sehen, als bei Conan Doyle je zu lesen war.

Sogar die seltsame Romanze mit Irene Adler, die den Film lose mit der "offiziellen" Holmes-Mythologie verbindet, funktioniert in sich. Nur hilft sie der Story nicht recht, die eher wirr als rätselhaft von cooler Szene zu witzigem Wortgefecht, von cleverer Anspielung (Holmes' Pfeife, Chaplins Hut) zu ausufernder Materialschlacht voranruckelt.

Auch am Ende steht der Plan: Gleich zweimal muss Holmes dann etwas taschenspielerhaft die losen Enden verknüpfen, verstreute Indizien in Zusammenhang bringen und hinter dem gerade erledigten Fall einen neuen entdecken. Wir scheinen gar nur einen überlangen Trailer für die Fortsetzung gesehen zu haben. In der wird dann wohl der hier wörtlich immer nur im Dunkeln stehende Professor Moriarty sichtbar auf und kriegt bestimmt schwer die Hucke voll.

Wing

GB / Aus / USA 2009 R: Guy Ritchie B: Michael Robert Johnson, Anthony Peckham, K: Philippe Rousselot D: Robert Downey Jr., Jude Law, Rachel McAdams, Mark Strong, Kelly Reilly