DaS Schwein von Gaza

Sau im Schafspelz

Eine märchenhaft unkoschere Komödie

In einem immerhin sind sich Palästinenser und Juden einig: Kein Schwein darf seinen gespaltenen Huf auf den Boden des Vaterlandes setzen. Man isst es nicht, fasst es nicht an, hat keinen Umgang mit ihnen und fürchtet, allein schon von seinem Anblick Schaden an der Seele zu nehmen.

Groß ist also der Schrecken des armen Fischers Jafaar, als ihm eines Tages nicht nur winzige Sardinen, kaputte Schuhe und Plastikmüll ins Netz gehen, sondern ein ausgewachsenes vietnamesisches Hängebauchschwein. Nach anfänglichem Schrecken dämmert dem gewitzten Hungerleider, dass sich das hässliche Tier des Teufels irgendwie zu Geld machen lässt.

Leider hat der örtliche UNO-Vertreter aus dem allesfressenden Westen (Ulrich Tukur) kein Interesse, aber ein Tipp führt ihn zu einer jüdischen Siedlung. Dort werden Schweine auf Holzböden gezüchtet, damit sie den Erdboden nicht betreten. Die Palästinenser finden das zwar verwerflich, aber auch ganz schön clever. So gerät Jafaar konspirativ durch den Zaun an Yelena, eine russische Jüdin, die zufällig gerade ein neues Schwein braucht. Aber nur ein männliches, und eigentlich nur seinen Samen.

Bis hierhin hat der Debütfilm von Silvain Estibal allerlei Elemente des Gaza-Konflikts im Hintergrund seiner Komödie aufgestellt. Die Israelis beschränken die Fischereizonen, die Siedler fühlen sich als Manövriermasse der Politik, die Einheimischen organisieren ihren Alltag bauernschlau zwischen brasilianischen Telenovelas im Fernsehen und bestechlicher Polizei. Jetzt aber wird der Spaß absurd. Jaffar schmuggelt Eber-Sperma durch die Linien, Jafaar zieht dem Schwein Ringelsöckchen an, weil es auf dem Boot nicht bleiben kann, Yelena bezahlt ihn gut, was Jafaars Frau ein neues Kleid und den Neid der Nachbarinnen einbringt.

In einer zweiten Runde verschärfen sich die Konflikte und die komischen Lösungen. Es gibt mehr Ernst und mehr Märchen. Jafaar wird von den örtlichen Widerstandsgewinnlern als Selbstmord-Attentäter requiriert, Yelenas Siedlung wird vom Militär geräumt, das Schwein muss sich mit einem Schafspelz tarnen, bis am Ende israelische und palästinensische Verbände Seite an Seite das sie gemeinsam beleidigenden Vieh und seine Freunde jagen. Bis zu einem endgültig märchenhaften Ende.

Man kann das Plädoyer, sich lieber gegenseitig aus der Patsche zu helfen, statt hinter Mauern und Zäunen zu verschanzen, naiv finden. Vielleicht ist auch die Satire auf israelischer Seite etwas zu zahm. Aber das zentrale Schwein ist eine Wucht. Und der zentrale Gedanke des besseren Lebens rührt sicher auch Vegetarier an.

Wing

Le cochon de Gaza. F/D/B 2011 R + B: Sylvain Estibal K: Romain Winding D: Sasson Gabay, Baya Belal, Myriam Tekaïa, Gassan Abbas, Ulrich Tukur