IM SCHWITZKASTEN

Die nackte Republik

Eine etwas überforderte deutsche Sozialstudie aus der Sauna-Perspektive

Die Sauna ist einer der wenigen wirklich egalitären Orte. Nackt und schwitzend sind sich die Menschen gleich - oder zumindest sehr ähnlich. Dass sich in der kollektiven Unverhülltheit des Hitzebades nicht nur der Körper, sondern auch die Seele entblößt, davon versucht Eoin Moores Im Schwitzkasten zu erzählen.

Donnerstags trifft sich in der titelgebenden Berliner Sauna ein gemischtes Völkchen. Vom Bundestagsredenschreiber über die Stewardess bis zur Ich-AGlerin und dem Berufsarbeitslosen ist hier alles vertreten, was die Berliner Republik so hervorgebracht hat. Betrieben wird das Etablissement von den Geschwistern Molinski. Während Nadinchen (Christiane Paul) mit Massagen und dem Auftragen von Fango-Packungen den Wohlfühlfaktor der Kundschaft erhöht, kümmert sich Bruder Jost (Charly Hübner) mehr schlecht als recht um die Finanzen des Familienunternehmens. Statt auf den steigenden Schuldenberg zu reagieren, träumt Jost von einem Fünf-Phasen-Plan, der geradewegs zur Errichtung eines Wellness-Paradieses vor den Toren Berlins führen soll.

Aber die, die es sich im "Schwitzkasten" bei Bio-Gemüsesaft und Latschenkieferaufguss gut gehen lassen wollen, sind auch nicht besser dran. Der Langzeit-Arbeitslose Toni (Andreas Schmidt) wird erwischt, als er für seinen Sohn ein Fahrrad klauen will. Seine Ex-Frau Karin (Steffie Kühnert) verhökert als Ich-AG an ihre zunehmend genervten Freunde Lebensversicherungen, Fitness-Geräte und Anti-Falten-Cremes. Die chronisch unentschiedene Monika (Laura Tonke) will ihre Sozialhilfe-Existenz aufgeben und als Entwicklungshelferin nach Ruanda gehen; oder auch nicht. Die weltgewandte Flugbegleiterin Dani (Esther Zimmering) wird von ihrem Unternehmen von einem Tag auf den anderen freigesetzt, während der unzufriedene Bundestagsabgeordnetengatte Norbert (Edgar Selge) die eheliche Unterdrückung mit neoliberalen Vorträgen kompensiert. Und so verknüpfen sich die nackten, sozialen Tatsachen der Hartz-Vier-Gesellschaft mit moderaten, amourösen Verwicklungen, die sich in der Hitze der Schwitzkabine gelegentlich entladen.

Mit seinem Kinodebüt plusminusnull hatte der deutsch-irische Regisseur Eoin Moore gezeigt, wie man mit wenig Geld und viel Improvisationsvermögen einen Film ganz nah an die Alltagswirklichkeit heranbauen kann. Nach seinem Frauenschläger-Porträt Pigs Will Fly versucht Moore nun an seine filmischen Anfänge wieder anzuknüpfen. Auch in Im Schwitzkasten waren die Schauspieler am Drehbuch beteiligt, wurde viel vor der Kamera improvisiert und das Projekt in nur zwanzig Drehtagen mit einem Budget von nur 640.000 Euro gestemmt.

Aber diesmal will sich die Frische und Spontaneität nicht wieder herstellen lassen. Vielmehr fallen die widrigen Produktionsbedingungen deutlicher ins Auge, besonders weil die zerfaserte Story zu wenig Bindungskraft besitzt. Die Charaktere werden wie Serviervorschläge entworfen, aber nicht genügend vertieft. Die sieben gleichberechtigten Hauptfiguren entgleiten Moore immer wieder in die Belanglosigkeit. Ähnlich wie der angeschlagene Saunabetrieb, in dem Rohre tröpfeln und kränkelnde Heizöfen ächzend den Geist aufgeben, bewegt sich auch Moores Geschichte ständig am Rande der Insolvenz.

Martin Schwickert

D 2005 R: Eoin Moore B: Eoin Moore, Esther Zimmering K: Bernd Löhr D: Charly Hübchen, Esther Zimmering, Andreas Schmidt