Der Schnee am Kilimandscharo Alte Werte Knarzige Gewerkschaftler und die neue Zeit Über Jahrzehnte hinweg hat Michel am Hafen gearbeitet und sich in der linken Gewerkschaft CGT für die Interessen seiner Kollegen eingesetzt. Jetzt wird er in den Vorruhestand entlassen und scheint sich halbwegs in die neue Situation einzufinden. Schließlich sind da noch die Enkelkinder, um die er sich endlich kümmern kann, und seine Frau Marie-Claire, mit der er seit 30 Jahren glücklich verheiratet ist. Zum Hochzeitstag bekommen die beiden - angelehnt an ihr gemeinsames Lied "Les Neiges du Kilimandjaro" - eine Reise nach Tansania zum Kilimandscharo geschenkt. Als sie am Abend zu Hause mit Freunden zusammensitzen, werden sie Opfer eines Raubüberfalls, bei dem sie geschlagen und gefesselt werden und die vermummten Täter die Reisekasse sowie die Scheckkarten stehlen. Michel ist nach dem brutalen Übergriff ebenso empört wie verunsichert. Als er herausbekommt, dass ein junger Kollege an dem Überfall beteiligt war, zeigt er ihn an und sorgt für seine Festnahme. Christophe gehörte ebenfalls zu den gekündigten Hafenarbeitern und kümmert sich allein um seine beiden jüngeren Brüder, die von ihrer Mutter im Stich gelassen wurden. Als Michel von der sozialen Notlage seines Angreifers erfährt, beginnt er sein Vorgehen zu hinterfragen. Robert Guédiguians Der Schnee am Klimandscharo ist ein Film, in dem vermeintlich altmodische Werte wie Klassenbewusstsein, soziales Gewissen und Anstand eine zentrale Rolle spielen. Der Film ist eingebettet in die zerfallende Sozialstruktur proletarischer Solidarität, die, anders als in Deutschland, in Frankreich über lange Jahrzehnte hinweg ein wichtiger gesellschaftlicher Motor war. Das französische Kino hat sich in den letzten Jahren mit Filmen wie Cédric Klapischs Mein Stück vom Kuchen gehäuft mit der Auflösung des ungeschriebenen Sozialvertrages und der sich verstärkenden Kluft zwischen Arm und Reich auseinandergesetzt. Guédiguian jedoch erhebt keine Großanklage gegen die Folgen der Globalisierung, sondern untersucht das veränderte soziale Klima innerhalb der Unterschicht. Diesen Abgleich alter Werte an den gesellschaftlichen Status quo begleitet der Film mit überzeugender Differenziertheit. Ähnlich wie Aki Kaurismäki in Le Havre setzt auch Guédiguian mit einer märchenhaften Schlusswendung gegen die Unbarmherzigkeit der Verhältnisse das grundanständige Verhalten der "kleinen Leute" - das Happy End sei ihnen vergönnt. Martin Schwickert Les Neiges du Kilimandjaro F 2011 R: Robert Guédiguian B: Robert Guédiguian, Jean-Louis Milesi K: Pierre Milon D: Jean-Pierre Darroussin, Ariane Ascaride, Grégoire Leprince-Ringuet
|