Schimpansen

Affentheater

Eine Disney-Produktion, die trotz ihres hohen Kitschanteils sehenswert ist

Ganze 98 Prozent der DNA von Mensch und Schimpanse sind identisch. Kein Wunder also, dass sich vor dem Schimpansenkäfig im Zoo meistens die größte Zuschaueransammlung bildet. Wenn wir in die Augen dieses Primaten schauen, erkennen wir darin sehr viel mehr als in jedem anderen Tier. Der Disney-Naturfilm Schimpansen dockt ganz ungehemmt an unserer Faszination für diese Affenart an und reist in den Taï-Nationalpark im Südwesten der Republik Elfenbeinküste, um eine kleine Schimpansen-Population durch ihren Dschungelalltag zu begleiten.

Dabei ist den Filmemachern Alastair Fothergill und Mark Linfield (Unsere Erde), die hier auf die Feldforschungen des Primatologen Prof. Dr. Christophe Boesch vom Max-Planck-Institut in Leipzig zurückgreifen konnten, eine Geschichte vor die Kamera gelaufen, die selbst die Drehbuchentwickler bei Disney nicht besser hätten erfinden können.

Die Mutter eines Affenbabys, das im Off-Kommentar auf den Namen Oscar getauft wurde, wird von einem Leoparden getötet. Das verwaiste Tierchen schlägt sich erst allein durch, versucht bei anderen Clan-Mitgliedern Anschluss zu finden, wird jedoch abgewiesen, weil die genug mit dem eigenen Nachwuchs zu tun haben. Schließlich nimmt ausgerechnet das Alpha-Männchen im Rudel sich des Waisen an und führt ihn in die Tücken und Schlichen des Affenalltages ein.

Mit dem Stock Ameisen zu angeln oder mit Steinen Nüsse zu knacken - das sind Fähigkeiten, die in der Population von einer Generation auf die nächste weitergegeben werden. Um den nahrhaften Nussbaum im Revier entfacht dann auch noch ein Revierkonflikt mit einem benachbarten, deutlich überlegenen Rudel, so dass der Film nicht nur auf die rührselige Adoptionsstory, sondern auch noch auf kriegsähnliche Action-Einlagen zurückgreifen kann.

Der salbadernde Off-Kommentar, der für die lieben Kleinen die Vermenschlichung der Primaten vollkommen enthemmt vorantreibt, überschlägt sich hier förmlich und unterscheidet in bewährter Hollywood-Manier fein säuberlich zwischen gutem und bösem Affenrudel. Das überschreitet mehrfach die Dümmlichkeitsgrenze, kann einem die Faszination für den Film jedoch nicht vollkommen verleiden. Dafür sind die stimmungsvoll fotografierten Naturkulissen und die Nahaufnahmen vom komplexen Lern- und Sozialverhalten der Schimpansen einfach zu spektakulär.

Wem es gelingt, den aufdringlichen Kommentar auszublenden, der kommt in den Genuss einer interessanten Naturdokumentation, die gerade auf der großen Leinwand ihre außerordentliche Wirkung entfaltet.

Martin Schwickert

Chimpanzee USA 2012 R: Alastair Fothergill, Mark Linfield K: Martyn Colbeck, Bill Wallauer