SCHATTEN DER WAHRHEIT Knarzende Spannung
Wenn man zu viel klaut, nennt man's am besten eine "Homage" Lange Jahre ist Claire (Michelle Pfeiffer) mit dem Genetiker Norman Spencer (Harrison Ford) verheiratet. Vor kurzem haben die Spencers das Haus des verstorbenen Vaters am nebligen See in Vermont bezogen. Claire zehrt noch an den traumatischen Folgen eines Autounfalls. Im Haus gegenüber werden undurchsichtige Ehedramen ausgetragen. Mit dem Fernglas beäugt Claire den Nachbarn, der im nächtlichen Gewitterregen einen leichengroßen Sack entsorgt. Damit nicht genug häufen sich auch in den eigenen vier Wänden die gruseligen Anzeichen: Bilderrahmen zerspringen ohne erkennbaren Grund, die Haustür öffnet sich schon, bevor die Klinke berührt wird. Anonyme Nachrichten erscheinen auf dem PC-Monitor. Bald stellt sich heraus, dass Norman ein gar nicht so perfekter Ehemann ist und sich die im Filmtitel so poetisch bezeichneten "Schatten der Wahrheit" an ihm grausam rächen werden. Nach eigenem Bekunden wollten die Produzenten einen Film drehen, wie ihn Hitchcock in der heutigen Zeit machen würde. Und so sind die Referenzen an die Altmeister des Suspense auch überdeutlich: das Handlungsgerüst wurde aus George Cukors Klassiker Gaslight (1944) heruntergeladen. Als heimliche Beobachterin wird Michelle Pfeiffer zur Widergängerin von James Stewart in Das Fenster zum Hof , und mit dem finalen Horror im Badezimmer verneigt man sich vor Hitchcocks Psycho . Trotzdem würde sich der alte Hitch im Grab herumdrehen. In Hitchcocks Filmen zeigte sich die Kunst des Suspense vor allem in der psychologischen Ökonomie und der sorgfältigen Dosierung des Grauens. Zemeckis hingegen setzt das Publikum unter Dauerbeschuss. Jede knarrende Diele wird auf der Tonspur bis zur Schmerzgrenze hochgefahren, unheilahnend kriecht und schleicht die Kamera durch den Raum. Statt an der Psychologie seiner Figuren zu arbeiten, flüchtet sich Zemeckis schon bald ins Übernatürliche, findet auch hier keine interne Logik für seine Geschichte und metzelt sich schließlich zu einem ausgesprochen hanebüchenen Finale durch. Die Überdosierung des Suspense führt zur völligen Immunisierung des Publikums. Am Anfang krallen sich nicht die Fingernägel in die Plüschsessel, am Ende schüttet man sich aus vor Lachen. Das wäre Hitchcock nicht passiert.
Martin Schwickert
What Lies Beneath USA 2000 R: Robert Zemeckis B: Clark Gregg K: Don Burgess D: Michelle Pfeiffer, Harrison Ford , Diana Scarwid, Joe Morton, 130 Min.
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