SAMSARA

Sex & Zen

Ein Mönch entdeckt das Leben

Als der junge buddhistische Mönch Tashi nach dreijähriger Dauermeditation aus der Einsiedelei in sein Kloster zurückkehrt, muss er feststellen, dass nicht nur sein Geist, sondern auch sein Körper eine andere Daseinsstufe erreicht hat. Mit fünf Jahren ist Tashi (Shawn Ku) ins Kloster gekommen und hat sich seitdem ausschließlich der spirituellen Bildung verschrieben. Jetzt wird der junge Mönch nachts von äußerst irdischen, sexuellen Fantasien heimgesucht. Heimlich wäscht er am Morgen die Laken aus, aber schon bald wird klar, dass er sein Verlangen nicht länger unterdrücken kann.
Tashi verlässt das Kloster hoch oben in der majestätischen Kargheit des Himalajas und begibt sich in die grünen, fruchtbaren Täler, um ein weltliches Menschendasein zu leben. Er verliebt sich in die schöne Bauerntochter Pema (Christy Chung) und gründet mit ihr eine Familie. Das Leben in der Landwirtschaft ist hart. Der Sommer ist kurz, der Winter unbarmherzig und der Lohn, den der korrupte Getreidehändler auszahlt, miserabel. Als Tashi sich mit ihm anlegt und das Korn selbst in der Stadt verkauft, droht das sensible Machtgefüge im Dorf auseinander zu brechen. Auch die Liebe zu Pema gerät immer wieder aus dem Lot, muss gegen Eifersüchteleien verteidigt werden und steht schließlich auf der Kippe, als Tashi sich mit einer Wanderarbeiterin einlässt. Enttäuscht von sich selbst, sehnt sich Tashi wieder nach der Klarheit des Klosterlebens. Aber dann steht Pema vor ihm, die sich nicht damit zufrieden gibt, als Selbstfindungsobjekt eines Mönches auf dem Weg zur Erleuchtung ausrangiert zu werden.
Einen "spirituellen Liebesfilm" wollte Pan Nalin drehen. Das klingt zunächst abschreckend, denn hierzulande ist Religion so etwas wie der natürliche Feind der Erotik. Aber im Gegensatz zu Christentum und Islam hat der Buddhismus mit engen Moralkorsetts und militanten Bekehrungsfantasien wenig im Sinn. Die Gelassenheit ist bekanntlich seine Stärke und die hat auch Nalins Samsara tief eingeatmet. Dabei kommt die Handlungsführung, in der Alltägliches, Komik und dramatische Zuspitzungen nebeneinander gelegt werden, gar nicht krampfhaft meditativ daher. Der Klosteralltag wird mit der gleichen Sorgfalt in Szene gesetzt wie die federleicht choreographierten Liebessequenzen. Die atemberaubenden Landschaftsaufnahmen aus der indischen Ladakh-Region sprengen nicht nur das Cinemascope-Format, sondern sind auch Teil einer ausgeklügelten Farbdramaturgie. Fast jede Einstellung scheint in sich selbst zu ruhen. "Zenematographie" nennt Regisseur Nalin sein Verfahren und tatsächlich hat man in Samsara wie selten das Gefühl, dass sich Form und Inhalt im perfekten Einklang miteinander befinden.

Martin Schwickert

D 2001 R: Pan Nalin B: Pan Nalin, Tim Baker K: Rali Raltchev D: Shawn Ku, Christy Chung, Neelesha BaVora