ROSENSTRASSE

Blasse Gesichter

Frauen gegen Nazis

Die Beispiele zivilen Ungehorsams im Dritten Reich sind rar, und die Geschichte der Frauen, die 1943 in der Berliner Rosenstraße gegen die Inhaftierung und drohende Deportation ihrer jüdischen Ehemänner protestierten, blieb bis Anfang der 90er-Jahre unbeachtet. Über 2000 Juden aus sogenannten Mischehen wurden damals im ehemaligen jüdischen Kulturhaus in Berlin-Mitte gefangen gehalten und sollten in die Konzentrationslager im Osten transportiert werden. In der Rosenstraße versammelten sich die nichtjüdischen Frauen der Inhaftierten. Erst nur ein paar Dutzend, später waren es Hunderte, die auch nicht zurückwichen, als die SS sich mit Maschinengewehren vor ihnen postierte. Goebbels persönlich veranlasste schließlich die Freilassung der Gefangenen, um den Aufsehen erregenden Protest der Frauen zu beenden, die genau jene Treue zu ihren Ehemännern hielten, wie sie die Kriegspropaganda von einer deutschen Frau verlangte.
Dass in dieser Geschichte ein guter Filmstoff steckt, wusste Margarete von Trotta ( Rosa Luxemburg ) schon Anfang der 90er. Aber damals war der deutsche Film im Komödienwahn und die Regisseurin mehr oder minder abgeschrieben. Erst zehn Jahre später konnte sie die deutsche Filmförderung für den Stoff begeistern, brachte ein Budget von 6,5 Millionen Euro und mit Katja Riemann, Jürgen Vogel, Maria Schrader und Jutta Lampe ein prominentes Ensemble zusammen.
Riemann - soeben für ihre Rolle mit dem Goldenen Löwen in Venedig ausgezeichnet - spielt Lena Fischer, eine "Arierin" adliger Herkunft, die nach ihrer Heirat mit dem jüdischen Musiker Fabian (Martin Feifel) im freien Fall durch die soziale Hierarchie im Nazi-Deutschland gefallen ist. Ihr Mann sitzt in der Rosenstraße und sie versucht, ihn mit allen Mitteln frei zu bekommen. Riemann spielt die Frau, die um ihre Liebe kämpft, vollkommen unprätentiös, mit einer stillen, störrischen Kraft, die unter der unerschütterlichen Contenance der geächteten Baronesse brodelt.
Alles andere ist in von Trottas Film leider weniger subtil. Brav erzählt sie die Geschichte der spontanen Frauensolidarisierung herunter und verbindet sie durch eine dieser gefürchteten Rahmenhandlungen mit der Gegenwart.
Maria Schrader wird als amerikanische Jüdin Hannah auf Recherchereise ins heutige Berlin geschickt. Sie soll das Geheimnis ihrer Mutter (Jutta Lampe) ergründen. Die achtjährige Ruth hatte damals vergeblich in der Rosenstraße gewartet und wurde von jener Lena Fischer aufgenommen, die nun als 90jährige Zeitzeugin aus der Vergangenheit berichtet.
Der Brückenschlag in die Jetztzeit erweist sich als ein fataler Kunstgriff, der nur zeigt, dass von Trotta ihrer Geschichte wenig traut. Alles in diesem überflüssigen Erzählstrang wirkt falsch und gekünstelt. Vom Alters-Make-Up über die gewohnt affektierte Darstellung von Maria Schrader bis hin zur New Yorker Kulisse, vor der Jutta Lampe gegen die schmerzhaften Erinnerungen ankämpft.
Von Trotta hätte besser mehr Energie darauf verwendet, den historischen Kontext glaubhafter zu gestalten.
Seit Jahrzehnten sind es die immer gleichen Bildklischees, mit denen die Unfassbarkeiten Nazideutschlands reinszeniert werden. Die gleichen Stiefeltritte auf dem gleichen Kopfsteinpflaster, das gleiche grau-blaue Licht, die gleiche Blässe in den Gesichtern, die gleiche Kälte auf den unwirtlichen Straßen.
Von Trotta reiht sie alle mit buchhalterischer Genauigkeit aneinander.

Martin Schwickert

D/NL 2002 R: Margarethe von Trotta K: Franz Rath D: Katja Riemann, Maria Schrader, Jürgen Vogel, Martin Feifel