LOVELY RITA

Ständig unverstanden

Nie ist man so einsam wie mit 14

Because I was in a furious temper - mit rollendem österreichischen Akzent spricht Rita diesen Satz aus. Eigentlich sollte sie im englischen Schultheaterstück nur als wortloses Dienstmädchen die Gläser der Herrschaft füllen. Aber dann hat sie einfach die Mitschülerin in die Garderobe eingesperrt und selbst die Hauptrolle übernommen. Rita redet nicht viel. Aber dieser Satz ist ihr aus dem Herz geschnitten. Überall in ihrem Leben scheint die Gymnasiastin nur eine Nebenrolle zu spielen. Wie ein in sich zusammengesunkenes Fragezeichen steht sie im Wohnzimmer neben dem Tisch, während die Erwachsenen angestrengte Konversation betreiben. Die Eltern sind in ihrem Eheleben erstarrt und streiten sich über hochgeklappte Toilettendeckel. Ritas jugendliche Ausbruchsversuche werden mit Stubenarrest bestraft. Die Mutter bringt das Essen aufs Zimmer. Am nächsten Tag gibt es vom Vater ein Busserl zur Versöhnung. Dabei ist der Graben schon längst unüberwindbar.
Lovely Rita - das Spielfilmdebüt der Wienerin Jessica Hausner - ist ein Film über die abgrundtiefe Einsamkeit der Pubertät. Nur mit 14 kann man so allein sein wie Rita. Die Glut des sexuellen Erwachens hat keine Chance in der sozialen Kälte der Umgebung. Mit dem jüngeren, leukämiekranken Nachbarsjungen sind die Grenzen zwischen Kissenschlacht und Liebesspiel fließend, bis die Eltern dem Forschungsinteresse einen Riegel vorschieben. Auch Ritas ausdauernder Flirt mit einem Busfahrer endet mit einer Enttäuschung auf der Discotoilette. Mit fast schon mechanischer Zwangsläufigkeit beobachtet der Film die Einkapselung des Mädchens, aus der schließlich nur noch ein radikaler Schritt in die Freiheit führt. Ähnlich wie Barbara Alberts Nordrand ist auch Lovely Rita ein Beispiel für den neuen sozialen Realismus, der sich im aktuellen österreichischen Kino etabliert. Der unnachgiebige Blick, mit dem Jessica Hausner ihrer Hauptfigur (hervorragend: Barbara Osika) in die Seele schaut ist ebenso bedrückend wie berührend. Ein stiller und intensiver Film über die innere Rebellion, die sich hinter dem Phlegma des Teenagerdaseins verbirgt.

Martin Schwickert

Österreich 2001 R&B: Jessica Hausner K: Martin Gschlacht D: Barbara Osika, Christoph Bauer, Peter Fiala