Das Verschwinden der Eleanor Rigby Zweimal Trauer James McAvoy und Jessica Chastain als verletztes Elternpaar Liebst du mich auch noch, wenn ich die Rechnung nicht bezahle?", fragt Conor (James Mc-Avoy) seine Frau Eleanor (Jessica Chastain) zu Beginn des Films. Nacheinander verlassen sie das Lokal, werden vom Kellner verfolgt, flüchten durch die Straßen New Yorks hinein in einen Park, wo sie sich lachend und außer Atem in die Arme fallen. Aber wenige Minuten später ist nach der Einblendung des Titels das Liebesglück auch schon vorbei. Wir sehen Eleanor, die mit dem Fahrrad auf eine Brücke fährt, absteigt und ohne lange zu zögern ins Wasser springt. Ned Bensons Regiedebüt Das Verschwinden der Eleanor Rigby beginnt mit einem harten Stimmungskontrast, und es wird eine Weile dauern, bis die Lücke zwischen Glück und Verzweiflung in der filmischen Erzählung gefüllt wird. Eleanor wird gerettet und verschwindet nach dem Suizid-Versuch aus Conors Leben. Der Schmerz über den Tod des gemeinsamen Sohnes ist zu stark und die Art, wie beide trauern, zu verschieden, als dass ihre Liebe noch weiter bestehen könnte. Eleanor zieht wieder bei den Eltern ein, die in einem geräumigen Haus vor den Toren der Stadt leben. Sie versucht langsam wieder Fuß zu fassen im Leben, belegt ein paar Kurse an der Uni, probiert nach vorne zu denken. Aber irgendwann in einer Vorlesung spürt Conor sie auf und versucht sie zur Rede zu stellen. Das Leben nach der Trennung ist für ihn pure Stagnation. Das Restaurant, das er mit seinem Freund betreibt, bietet kaum Abwechslung. Wenn ein Gast sich über den Service beschwert, geht Conor dem Mann gleich an die Gurgel und weiß genau, dass die Wut von einem ganz anderen Ort in seiner Seele kommt. Ursprünglich war Das Verschwinden der Eleanor Rigby zwei Filme. Der erste Teil "Her" widmete sich ausschließlich Eleanors Perspektive, während der zweite Film "Him" allein aus der Sicht des Ehemannes erzählt wurde. Dann kaufte der Independent-Mogul Harvey Weinstein - "Harvey mit den Scherenhänden" - beide Filme und sah Probleme, das filmische Doppelpack zu vermarkten. Er drängte den Regisseur dazu, eine neue Version zu schneiden, die unter dem Titel "Them" beide Standpunkte in einem Film nebeneinander verhandelte. Dem Ergebnis merkt man die Anstrengungen des Kompromisses deutlich an. Baute die ursprüngliche Idee gerade darauf, dass sich das Publikum erst voll und ganz auf die eine und dann ebenso ablenkungsfrei auf die andere Perspektive einließ, werden in "Them" der unterschiedliche Umgang von Frau und Mann mit Trauer und Verlust vergleichend direkt nebeneinander gestellt. Die Ruhe zur Neuorientierung, die Eleanor einfordert, wird ihr in der neuen Schnittfassung nicht gegeben, und die Stagnation, in die Conor hineingerät, nicht wirklich spürbar. Dass "Them" ein sehenswerter Film ist, liegt daran, dass Benson über die Doppelperspektive hinaus einen interessanten Zugang zu den Figuren findet. Das tragische Ereignis selbst wird nur punktuell thematisiert. Stattdessen legt der Film sein Hauptaugenmerk auf das seelische Echo. Jessica Chastain (Zero Dark Thirty) lässt sich ohne Overacting auf den dünnhäutigen Seelenzustand ihrer Figur ein, und auch in den Nebenrollen glänzen William Hurt, Isabelle Huppert und Ciarán Hinds als überforderte Elternfiguren sowie die fabelhafte Viola Davis in der Rolle einer abgeklärten Unidozentin, deren trockene Ironie auf ungemein unsentimentale Weise Trost zu spenden versteht. Martin Schwickert The Disappearance of Eleanor Rigby: Them USA 2014 R&B: Ned Benson K: Chris Blauvelt D: James McAvoy, Jessica Chastain, Viola Davis. 123 Min.
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