REVANCHE

Viel Holzhacken

Ein schweigsames Melodram aus Österreich

Auf der Wasseroberfläche des Teichs spiegeln sich die Bäume des Waldes. Lange schaut die Kamera auf diese Reflektion der Idylle. Dann fliegt von unsichtbarer Hand geworfen ein Gegenstand ins Wasser und versinkt sofort, ohne dass man erkennen konnte, was es war. Aber das Bild ist zerstört. Die kreisförmigen Wellen breiten sich aus und zerreißen mit ihren regelmäßigen Bewegungen die Spiegelung.

Die schlichte Beobachtung, die Götz Spielmann an den Anfang von Revanche setzt, ist zum einen eine erzählerische Vorwegnahme. Erst am Ende des Films wird man sehen, was hier von wem und warum ins Wasser geworfen wurde. Zum anderen ist dieses erste Bild ein Bekenntnis zu einer Erzählhaltung, die die Geduld des Beobachtens aufbringt und nicht das Ereignis, sondern die Wellenbewegungen danach in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt. Revanche erzählt von zwei sehr unterschiedlichen Paaren, deren Schicksal sich für einen kurzen, aber entscheidenden Moment kreuzt. Alex arbeitet als Handlanger in einem Wiener Bordell. Dass er und die ukrainische Prostituierte Tamara sich lieben, darf der Chef nicht wissen. Alex träumt von der gemeinsamen Flucht aus dem Rotlichtmilieu und einer eigenen Bar auf Ibiza. Das Startkapital will er sich durch einen Bankraub besorgen.

Die Verkäuferin Susanne und der Polizist Robert leben auf dem Lande in einem funkelnagelneuen Eigenheim, in dem das Kinderzimmer immer noch unbewohnt ist. Als Alex die Bank im nahe gelegenen Ort überfällt, schießt Robert auf den Fluchtwagen und trifft Tamara tödlich. Alex taucht in der Nähe bei seinem Großvater unter. Dass Susanne, die den Alten regelmäßig besucht, die Frau des Polizisten ist, der seine Geliebte erschossen hat, ahnt er noch nicht.

Alex hat dem Großvater versprochen, das Brennholz für den bevorstehenden Winter zu machen. Und während er Tag für Tag die Baumstämme sägt und zerhackt, schwelt in ihm das Bedürfnis nach Rache. Susanne fühlt sich immer mehr zu dem schweigsam vor sich hin arbeitenden Mann hingezogen und entfremdet sich dabei von Robert, der nach dem Todesschuss seine Schuldvorwürfe in sich hinein frisst.

Liebe, Tod, Rache, Schuld - der österreichische Regisseur Götz Spielmann erzählt von großen Emotionen auf eine vollkommen zurückhaltende Weise. Mit handwerklicher Präzision baut er sein narratives Gerüst auf, entschlackt die Dialoge, ohne in demonstrative Kaurismäki-Einsilbigkeit zu verfallen, konzentriert sich in ruhigen Einstellungen auf die sich verändernden Stimmungen der Figuren und verzichtet komplett auf begleitende musikalische Berieselung.

Die Ökonomie der Erzählung verbindet sich hier bestens mit dem nuancierten Spiel der Schauspieler. Johannes Krisch gelingt es hervorragend, die schwelenden Emotionen seiner Figur hinter der hart-männlichen Fassade durchscheinen zu lassen. Wenn man ihm beim Holzhacken zuschaut, erfährt man mehr von der Figur, als Dialoge sagen können. Ursula Strauss trifft den Ton der leicht spießigen Provinzlerin, die im Zweifelsfall lieber immer etwas zuviel redet, weil sie das Schweigen der Männer auszufüllen versucht. Revanche schaut den Menschen einfach beim Fühlen zu und entwickelt dabei eine geradezu atemberaubende Nüchternheit.

Martin Schwickert

Ö 2008 R&B: Götz Spielmann K: Martin Gschlacht D: Johannes Krisch, Irina Potapenko, Ursula Strauss