»FRAU RETTICH, DIE CZERNY UND ICH«

Stuhlgang

Ein schlapper Film nach einem netten Buch

Hätte was werden können. Mit ihrem kleinen, feinen Roman Frau Rettich, die Czerny und ich ist die Titanic-Kolumnistin Simone Borowiak überraschenderweise ganz oben in den deutschen Bestseller-Charts gelandet. Mit spitzer Feder läßt Borowiak drei Frauen auf einer verqueren Reise nach Spanien über Gott und die Welt lästern und räsonieren, was ohne großen Tiefgang recht angenehm unterhält. Idealer Stoff für ein deutsches Komödchen mit Dialogvorlagen, wie man sie sich nicht besser wünschen kann. Wenn die Autorin dann auch noch selbst am Drehbuch beteiligt ist, dürfte eigentlich nicht viel schiefgehen
Geht aber. Denn die deutsche Komödie hat ihre unverrückbaren Regeln und die sind dem feinsinnigen Humor eher abgeneigt. Zunächst einmal müssen da ein paar Männer ins Script hineingeschrieben werden, obwohl der Roman doch gerade seinen Reiz aus der weitgehenden Abwesenheit dieser Spezies entwickelt. Aber da bangt der Filmproduzent schon um die Konsensfähigkeit seines Produktes, und das Streben nach dem kleinsten gemeinsamen komischen Nenner ist bekanntlich das Ende aller guten Ideen.
Zu Frau Rettich, der Czerny und Sophie gesellen sich also noch zwei Männer mit Namen Bakunin (Thomas Heinze) - ein pleite gegangener anarchistischer Buchhändler - und Bart (Olli Dittrich), der so heißt, weil er einen hat und so dumm ist, wie er aussieht. Die Damen sind unterwegs Richtung Süden, weil Frau Rettich in Barcelona heiraten will. Alle drei arbeiten sie im gleichen Verlag und repräsentieren ein wenig zu offensichtlich drei Frauengenerationen: Frau Rettich (Iris Berben) als Fourtysomething-Karriere-Frau, die nach einer großen Anzahl von Testpersonen glaubt, endlich ihren Traummann gefunden zu haben. Die Czerny (Martina Gedeck), die geistig-politisch in den Siebzigern verhaftet ist und ihre sehr langjährigen Beziehung - eben jenen Bart - in der Gewerkschaftsjugend kennengelernt hat, und schließlich Sophie (Janette Hain) als Kind der Neunziger. Frau Rettich reist nach Spanien um einen knackigen, stinkreichen Spanier zu ehelichen, von dem sie ein Kind erwartet. Die Czerny hofft auf ein Abenteuer, und Sophie versucht ihre unglückliche Liebe zu Bakunin zu vergessen. Alles kommt vorhersehbar anders, denn Volltrottel Bart reist den Frauen hinterher und Bakunin trampt Richtung Süden, weil anarchistische Buchhändler eben Richtung Süden trampen. Turbulenzen stehen auf dem Drehplan, und schnell sackt der Humor aufs Schenkelklopfniveau. Etwa wenn Bart von brutalen Raststättenbesitzern gezwungen wird, Bouletten zu essen, obwohl er sie nicht verträgt. Sein Stuhlgang wird für die nächste halbe Stunde als Running Gag eingeplant. Ham wir gelacht. Urkomisch auch der kleine dicke Schwule der sich immer so lustig mit seinem hübschen jungen Freund zankt. Schnell ist in Markus Imbodens Filmversion wieder alles beim alten und im deutschen Komödien-Lot. Kesse Frauen, dusselige Typen und dieser Sandkasten-Post-Feminismus, der das heimische Kinoschaffen seit Doris Dörrie nicht mehr verlassen will. Manchmal, aber nur manchmal verirren sich noch ein paar spitzzüngige Dialogpassagen ins Normgefüge, aber die kann man auch im Buch ohne lästiges Beiwerk nachlesen.

Martin Schwickert