RENT

HIV-Songs

Ein Musical über den Untergang der New Yorker Bohéme

Zugegeben ein gerüttelt Maß an Kitschresistenz muss man schon aufbringen, um einen Film wie Rent unbeschadet zu überstehen. Aber wer's mag, wenn aus Musicals das süße Sirup der Sentimentalität nur so raustropft, der ist hier gut aufgehoben. Rent kann man als Gegenstück zu dem Sixtie-Klassiker Hair ansehen. Läutete das Hippie-Musical den Beginn der sexuellen Revolution ein, ist Rent der Abgesang auf die Ära der freien Liebe und des unbeschwerten Drogenkonsums.
Angesiedelt im Manhattan der 90er, erzählt Rent vom Untergang der New Yorker Bohème, die sich im Würgegriff von AIDS, Drogensucht und steigenden Mietpreisen befindet. Den Auftakt bietet ein satt orchestrierter Mietstreik, mit brennenden Räumungsbescheiden, die malerisch von den Feuertreppen heruntersegeln. Die alten Fabrikgebäude, in denen sich die ständig finanzschwache Künstlerkolonie angesiedelt hat, sollen abgerissen werden und einem Filmpark weichen.
Dabei kämpft hier ohnehin schon jeder mit seinen eigenen Problemen. Der angehende Filmemacher Mark (Anthony Rapp) hat gerade von Maureen (Idina Menzel) den Laufpass bekommen, die sich in die junge Anwältin Joanne (Tracie Thoms) verliebt hat. Sein Mitbewohner Roger (Adam Pascal) ist HIV-Positiv und verlässt seit seinem Drogenentzug kaum noch die Wohnung. Sogar gegen die Avancen der Nachtclub-Tänzerin Mimi (Rosario Dawson) schottet sich der deprimierte Musiker ab. Das einzige glückliche Paar bilden der Transvestit Angel (Wilson Jermaine Heredia) und Tom (Jesse L. Martin), die trotz AIDS-Erkrankung an ihrer Liebe festhalten.
Wo Liebe und Tod dicht beieinander liegen, ist der Kitsch nicht weit. Herzzerreißende Abschiedslieder vor den Körpern dahinscheidender Lebensgefährten wechseln sich ab mit frenetischen Lobpreisungen des Bohème-Lebens. Chris Columbus hat das Broadway-Musical von Jonathan Larson flüssig inszeniert. Die etwas gitarrenlastige Musik wirkt nicht mehr ganz so frisch, aber die Tanzszenen sind fantasievoll choreographiert, und das abgeranzte New Yorker Hinterhof-Setting lässt Erinnerungen an die West Side Story wach werden.
Rent erzählt mit seinem Persponal von Hausbesetzern, Transen, Lesben, Drogis, Pennern und Künstlern auf hochsentimentale Weise vom Verlust eines Lebensgefühls, das heute schon Lichtjahre entfernt erscheint.

Martin Schwickert

USA 2005 R: Chris Columbus B: Stephen Chiosky, Jonathan Larson K: Stephen Goldblatt D: Rosario Dawson, Taye Diggs, Wilson Jermaine Heredia