RECONSTRUCTION

Herzlos

Eine kalte Betrachtung des Liebeselends

Es ist alles nur ein Film und trotzdem tut es weh" heißt es am Anfang von Christoffer Boes Reconstruction - eine Bemerkung, die zunächst sehr bedeutend und am Ende des Films unfreiwillig komisch erscheint.
Auf den ersten Blick, wie sonst, verliebt sich Alex in die kühle Aimeé und will sich umgehend von seiner langjährigen, blondgezopften Freundin Simone trennen. Genau wie Aimée nach dem Seitensprungs ihr eheliches Musendasein für den deutlich älteren Schriftsteller August aufgeben will. Aber als Alex am Morgen auf die Straße tritt, hat sich die ganze Welt von ihm abgekehrt. Die Ex-Freundin, Verwandte und Bekannte - niemand kann sich mehr an ihn erinnern. Sogar seine Wohnung unter dem Dach ist komplett verschwunden. So einsam kann Liebe machen.
Was bleibt von einem Menschen übrig, wenn ihn alle aus dem Gedächtnis gestrichen haben? Dieser Frage forscht Reconstruction mit einer manierierten Verschachtelungsdramaturgie nach. Nicht umsonst wurde ein mit Leben und Arbeit hadernder Schriftsteller ins Figurenarsenal aufgenommen. Sehr bedeutend kommt auch der Kunstgriff daher, dass Ex-Freundin Simone und Neugeliebte Aimée von der selben Schauspielerin (Maria Bennevie) dargestellt werden. Satellitenbilder zur Kapitelunterteilung und malerisch "eingefrorene" Filmsets unterstreichen ambitioniert profan die emotionale Haltlosigkeit des Filmhelden, den Nikolaj Lie Kaas (Open Hearts) mit ausdauernd gequälten Gesichtszügen überzeichnet.
Eine klaffende Wunde tut sich in Reconstruction auf zwischen formalem Anspruch und inhaltlicher Leere. Wer der verzwickten Beziehung zwischen Liebe und Gedächtnis im Kino nachspüren will, ist mit Michel Gondrys Vergiss mein nicht deutlich besser beraten. Denn die Charlie-Kaufman-Verfilmung hat zwei Dinge, die Boes angestrengten Vexierspiel vollkommen fehlen: Herz und Humor.

Martin Schwickert

DK 2003 R: Christoffer Boe B: Christoffer Boe, Mogens Rukov K: Manuel Alberto Claro D: Nikolaj Lie Kaas, Maria Bonnevie, Krister Henriksson