JOHN RABE

Schutz unterm Hakenkreuz

Ein Heldengemälde auf einen Nazi, der keiner war


Das Interview zum Film

Die japanischen Sturzkampfbomber sausen auf die chinesische Hauptstadt herab und bombardieren sie in Grund und Boden. Auf dem Werksgelände von Siemens in Nanjing kauern an die hundert chinesische Zivilisten unter einer riesigen Fahne, die sie wie ein Schutzschild über sich halten: die deutsche Hakenkreuzflagge.

Es ist ein starkes, widersprüchliches Bild, das Florian Gallenberger an den Anfang seines Films setzt. Das Emblem, das in der Weltgeschichtsschreibung wie kein anderes für kriegerische Zerstörungswut und Völkermord steht, wird in Nanjing zu Beginn des japanisch-chinesischen Krieges 1937 zum humanitären Rettungssymbol. Die japanischen Bomberpiloten erkennen die Flagge ihres deutschen Verbündeten und drehen ab. Der Mann, der die Fahne aufrollen ließ, heißt John Rabe. Noch vor zwölf Jahren kannte in Deutschland kaum einer seinen Namen, während man ihm in der ehemaligen chinesischen Hauptstadt Heldendenkmäler setzte.

John Rabe ist so etwas wie der Schindler Chinas. Über zweihunderttausend Zivilisten hat er zu Beginn der japanischen Invasion gerettet, indem er mit anderen Ausländern in Nanjing eine Sicherheitszone einrichtete. Die japanischen Truppen richteten bei der Eroberung der Stadt ein monatelanges Massaker an, bei dem etwa dreihunderttausend Zivilisten brutal ermordet wurden.

Der Werksleiter der chinesischen Siemens-Tochtergesellschaft war schon abberufen, als die japanischen Bomber auf Nanjing zusteuerten. Aber nach fast dreißig Jahren in China fühlt sich Rabe (Ulrich Tukur) verantwortlich für die Belegschaft und geht nicht an Bord des Dampfers, der ihn und seine Frau Dora (Dagmar Manzel) zurück nach Deutschland bringen soll.

Gemeinsam mit dem amerikanischen Arzt Dr. Wilson (Steve Buscemi), dem deutsch-jüdischen Diplomaten Georg Rosen (Daniel Brühl) und der französischen College-Direktorin Valérie Dupres (Anne Consigny) errichtet er in Nanjing eine internationale Sicherheitszone, in die nur unbewaffnete Zivilisten aufgenommen werden.

Bei den schwierigen Verhandlungen mit den japanischen Besatzern ist Rabe als Deutscher in einer besseren Position als seine Mitstreiter, dennoch bleibt der Status der Schutzzone fragil inmitten des Blutbades, das die japanischen Truppen anrichten.

Florian Gallenberger zeichnet das Porträt des guten Deutschen von Nanjing als geradliniges humanistisches Heldengemälde. Rabe ist zwar Parteimitglied und Hitleranhänger, aber es sieht so aus, als würde er nach fast dreißig Jahren im Ausland nicht ganz überblicken, wem er hier die Parteitreue geschworen hat.

Äußerst naiv wirkt sein Versuch, mit einem Brief an den Führer für die humanitären Belange in Nanjing einzutreten.

Aus dem inneren Widerspruch der Figur schlagen Gallenberger und sein wie immer gut aufspielender Hauptdarsteller Ulrich Tukur jedoch zu wenig Kapital. Ausführlichst werden die kriegerischen Schlachtszenarien und Gräueltaten in Szene gesetzt, um den menschlichen Helden umso klarer erstrahlen zu lassen.

Gallenberger orientiert sich am epischen Format verklärender Hollywood-Gemälde und beendet die Geschichte dort, wo sie eigentlich anfängt, interessant zu werden. Nach der Auflösung der Schutzzone kehrt Rabe 1938 nach Deutschland zurück, setzt sich dort beim Führer für die Belange der Chinesen ein, wird von der Gestapo verhaftet und nur auf Drängen seiner Arbeitgeber wieder frei gelassen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wird ihm zunächst die Entnazifizierung verweigert und Rabe, der bei Siemens nie wieder in eine höhere Position aufsteigen konnte, stirbt 1950 verarmt in Deutschland.

Martin Schwickert

D 2009 R&B: Florian Gallenberger K: Jürgen Jürges D: Ulrich Tukur, Daniel Brühl, Anne Consigny