»KREUZ UND QUEER«

Topf & Deckel

Wenn Schwule und Heteros durcheinanderkommen

Solange Homos und Heteros auf getrennten Weiden grasen und nicht in fremden Revieren wildern, ist eine friedliche Koexistenz der sexuellen Identitäten gesichert. Mehr Spaß macht es allerdings, die Zäune einzureißen, beide Gruppen mit all ihren gegenseitigen Vorurteilen aufeinander loszulassen und mit dem Kochlöffel ein paar mal kräftig herumzurühren. Das zumindest ist das schlichte, jedoch überzeugende Rezept von Rose Troches Verwicklungskomödie Kreuz und Queer .
Trotz langjährigem schwulen Single-Dasein ist Leos größter Alptraum immer noch, sich in einen Hetero zu verlieben. Der Traum wird schmerzende Wirklichkeit, als es den kriselnden Endzwanziger in eine esoterische Männergruppe verschlägt. Unheimlich offene Therapiegespräche, spontanes Rebirthing und Überlebenstraining in freier Wildnis stehen auf dem Programm. Leo (Kevin McKidd) - der einzige Schwule im Therapiegefüge - interessiert sich jedoch hauptsächlich für den schönen Brendan (James Purefoy). Selbst nächtliche Lektüre von Jane-Austen-Romanen und Margret-Thatcher-Memoiren befreien ihn nicht von feucht-romantischen Träumen. Als Leo vor versammelter Mannschaft seine Zuneigung zu Brendan gesteht, ist dieser gar nicht abgeneigt. Seine Ehe steckt ohnehin in der Krise, und Leos Avancen schmeicheln der frustrierten Hetero-Seele. Dumm nur, dass Brendans Frau zugleich Leos frühere Jugendfreundin Sally (Jennifer Ehle) ist und die vergessen geglaubte College-Liebe Leos Gefühlshaushalt gänzlich aus dem Gleichgewicht wirft. Auch im Nebenfigurenensemble bricht ungehemmtes Sex-Chaos aus: Männergruppenmacho Terry (Con O'Neill) studiert interessiert schwule Pornomagazine. Mitbewohner Darren (Tom Hollander) treibt es mit einem dominanten Immobilienmakler in fremden Wohnungen und findet sich mit Handschellen an das Bett einer Frau gefesselt wieder...
Als Londoner Szene-Komödie setzt sich Kreuz und Queer bewusst vom Realismus britischer Working-Class-Comedies ab. Völlig überdreht, an den Haaren herbeigezogen, aber hochgradig unterhaltsam werden die Liebesnöte der "Wir-um-die-30"-Generation ins Visier genommen. Regisseurin Rose Troche ( Go Fish ) entwickelt ein sicheres Gespür für Tempo, Timing und Pointen. Drehbuch und Regie verfügen über profundes Insider-Wissen aus den verschiedenen Lagern. Die Dialoge von Robert Farrar sind zum Mitschreiben komisch, nur das allesversöhnende Ende kommt ein wenig abrupt. Allzu hastig werden in den letzten Filmminuten Töpfchen und Deckelchen aufeinander gesetzt und die Partygäste paarweise nach Hause geschickt.

Martin Schwickert