Quellen des Lebens Leben danach Oskar Roehler verfilmt sich selbst Die eigene beschädigte Biografie und die Traumata der Kindheit waren für den Filmemacher Oskar Roehler immer auch ein kreatives Fundament. Daraus speiste sich die selbstzerstörerische Wut seiner frühen Filme wie Silvester Countdown oder Der alte Affe Angst, aber auch das mit dem deutschen Filmpreis ausgezeichnete Porträt seiner Mutter, der Schriftstellerin Gisela Elsner, in Die Unberührbare. Nun holt Roehler weiter aus, erzählt im epischen Format die Geschichte seiner Familie über drei Generationen hinweg und zeichnet ein vielschichtiges Bild seiner verstörenden Kindheit. Der Film beginnt mit dem Großvater väterlicherseits, der 1949 als Spätheimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft kommt und sich den Platz im Ehebett an der Seite seiner Frau (Meret Becker) erst wieder erkämpfen muss. Aber dann spuckt Erich Freytag (Jürgen Vogel) in die Hände, baut mit Hilfe seines Sohnes Klaus (Kostja Ullmann) in der westdeutschen Provinz eine Gartenzwergfabrik auf und schuftet, wie die meisten Männer seiner Generation, um zu vergessen. Der Junior hingegen träumt von einer Schriftstellerkarriere und lernt Gisela (Lavinia Wilson) kennen - eine Tochter aus sehr viel besserem Hause mit einem beißenden Hass auf ihre großbürgerliche Herkunft. Der Spätabiturient Klaus (Moritz Bleibtreu) erliegt ihrem mondänen Wesen und muss bald feststellen, dass seine schöne Geliebte sehr viel besser schreibt als er selbst. Als Gisela schwanger wird, heiraten sie, aber um das Kind will sich keiner von beiden kümmern. Die Mutter, deren schriftstellerische Karriere gerade durchstartet, verlässt Mann und Kind. Der alkoholsüchtige Vater geht als Lektor nach Westberlin und ist mit der Betreuung des Jungen sichtbar überfordert. Fortan wird Robert zwischen den verschiedenen Großeltern hin- und hergeschoben. Dass Roehler, der hier sein Romandebüt Herkunft verfilmt, mit der Elterngeneration härter ins Gericht geht als mit den Großeltern, ist aus der subjektiven Sicht des Kindes verständlich. Dennoch spürt man in diesem Film nicht mehr jene ziellose Wut, die Roehlers frühere Werke angetrieben hat. Der Film bemüht sich, das Versagen der Eltern im Kontext zu verstehen, ohne daraus eine Versöhnungsshow inszenieren zu wollen. Und dieser Kontext geht weit über das persönlich Biografische hinaus, zeigt nicht nur die Kulturkämpfe der alten Bundesrepublik, sondern auch die ungeheuren lebensenergetischen Reibungsverluste, die hier im Grabenkrieg der Generationen aufgebracht wurden, um sich von seiner Herkunft zu lösen. Dass es aus der eigenen Lebensgeschichte dennoch kein Entrinnen gibt und es darauf ankommt, die gemachten Erfahrungen ins Produktive zu wenden - dafür ist Roehlers Familienepos ein gutes und interessantes Beispiel. Martin Schwickert D 2012 R: Oskar Roehler B: Oskar Roehler, Klaus Richter K: Carl Friedrich Koschnick D: Moritz Bleibtreu, Lavinia Wilson, Jürgen Vogel, Kostja Ullmann
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