THE QUEEN

Erstarrt

Über Macht, Gefühl und Kalkül in der englischen Politik

Als in der Nacht zum 1. September 1997 Prinzessin Diana nach einer Hetzjagd durch Paparazzi bei einem Autounfall ums Leben kommt, verwandelt sich ihr Bild in der britischen Öffentlichkeit vom Schwarzen Schaf des englischen Königshauses hin zur Nationalheiligen.
Die Einfahrt zum Buckingham Palace ist überflutet mit Blumen, während sich drinnen im königlichen Amtssitz nichts rührt. Der Fahnenmast ist leer. Die königliche Familie weilt auf dem Landsitz im schottischen Balmoral und verweigert mit aristokratischer Sturheit jegliche Stellungnahme. Denn offiziell ist Diana seit der Ehescheidung kein rechtmäßiges Mitglied des englischen Königshauses mehr und ihr Tod dadurch auch keine Staatsangelegenheit.
In The Queen schauen Regisseur Stephen Frears und Drehbuchautor Peter Morgan hinter das eiserne Schweigen der Royals, das die britische Öffentlichkeit damals tief gespalten hat.
Der Queen (brillant: Helen Mirren), die Dianas Tod strikt als private Angelegenheit behandeln will, wird der zweite Machthaber des Landes gegenüber gestellt: Tony Blair (Michael Sheen), der wenige Monate zuvor in einem erdrutschartigen Wahlsieg dem Thatcherismus ein Ende gesetzt hat und sich nun als Modernisierer Großbritanniens profilieren will.
Als PR-Profi erkennt Blair schnell, wie sich die Meinung der Massen dreht und die Königsfamilie durch ihr Verhalten ins politische Abseits gerät.
Im indirekten Machtkampf zwischen der Königin und ihrem ungeliebten Premier gelingt es Frears ein ganzes Panorama der Auseinandersetzung zwischen der Bewahrung von Traditionen und der rückhaltlosen Modernisierung aufzuzeichnen, in der sich die britische Gesellschaft damals und wie heute befindet.
Dabei zwingt der Film das Publikum, seine Meinung immer wieder zu revidieren. Frears differenzierte Betrachtungsweise lässt keinen Millimeter Raum für die Vorurteile. Er schaut hinter die Fassade der Queen, die nur scheinbar zwischen Privilegien und Protokoll emotional erstarrt ist, und zeichnet ein detailliertes Bild vom seelischen und politischen Zwiespalt, in dem sich die Monarchin in der modernen Mediengesellschaft befindet.
Auch Blair ist mehr als nur der populistische Politiker, der mit der Affäre allein seine Beliebtheit steigern will. Mit sanften Pendelbewegungen zwischen diesen beiden zentralen Figuren hält Frears seinen Film in Gang über die Traditionen, Werte, Modernisierung und mediale Hysterisierung der britischen Gesellschaft. The Queen hat will dabei wenige Dokumentation sein als eine intelligente Reflektion.

Martin Schwickert

GB/F/D R: Stephen Frears B: Peter Morgan K: Alfonso Beato D: Helen Mirren, Michael Sheen, James Cromwell


Das Interview zum Film