PUBLIC ENEMIES

Spass bei der Arbeit

Johnny Depp spielt John Dillinger als Verbrecher aus Leidenschaft


Das Interview zum Film

Gerade einmal dreizehn Monate dauerte die Bankräuberkarriere von John Dillinger. Von der Entlassung aus dem Gefängnis nach neunjähriger Haft bis zu seiner Erschießung durch das FBI vor einem Kino in Chicago. Aber die kurze Zeit reichte aus, um ihn zum kriminellen Star der amerikanischen Depressions-Ära werden zu lassen. Mehrere Geldinstitute pro Woche raubten Dillinger und seine Mannen aus, und weil das Bankgewerbe im Zuge der Weltwirtschaftskrise ohnehin in Verruf geraten war, avancierte der smarte Raubritter schnell zum Volkshelden.

In Public Enemies beschäftigt sich Regiemeister Michael Mann ( Heat ) mit dem kurzen, aber entschlossenen Wirken des Bankräuberkönigs, und er tut dies ohne popkulturelle Verklärung.

"Ich will alles, und zwar sofort" sagt Dillinger (Johnny Depp) zu seiner zukünftigen Geliebten Billie Frechette (Marion Cotillard), und genau so zielstrebig, wie er in eine Bank hineingeht, erobert er auch das Frauenherz. Eine kurze, prägnante Zusammenfassung des Lebenslaufes und der persönlichen Vorlieben verbunden mit einem knappen, aber hochwirksamen Liebesgeständnis reichen aus, um Billie zu überzeugen.

Aber bei aller Sympathie, die Michael Mann seinem Ganovenstar entgegenbringt: Dillinger ist kein netter Mensch. Wenn Komplizen beim Gefängnisausbruch Mist bauen, werden sie aus dem fahrenden Auto geworfen. In seiner Gang sorgt Dillinger für eiserne Disziplin, die Banküberfälle sind mit militärischer Präzision und Entschlossenheit vorbereitet. Dabei geht es Dillinger nicht um die Anhäufung von Geld zur Absicherung des Lebensabends in Havanna oder Manila. Es geht um den Spaß bei der Arbeit und das Leben im Augenblick.

Dass seine große Zeit bald vorbei sein wird, weiß auch Dillinger. Auf der Seite des Gesetzes formiert sich nicht nur eine Spezialeinheit, die unter Leitung des wortkargen Melvin Purvis (Christian Bale) der populären Gang das Handwerk legen will. J. Edgar Hoover (Billy Crudup) nutzt den spektakulären Fall, um seinen Traum von einer schlagkräftigen Bundespolizei, die über die Staatengrenzen hinaus agieren soll, politisch durchzusetzen.

Dass das FBI schon in seinen Gründungsjahren nicht nur die moderne Kriminalwissenschaft, sondern auch brutale Verhörmethoden und Folter einsetzte, zeigt der Film nachdrücklich.

Auf der anderen Seite wird der Druck der Mafia auf Dillinger immer größer. Ein Bankräuber, der so viel Staub aufwirbelt, steht den Strategien der Mobster im Wege. Und so zeichnet Public Enemies Dillinger auch als letzten Individualisten in einer Branche, die ihr kriminelles Tun im großkapitalistischen Stil zu organisieren beginnt.

Mann beweist sich auch hier wieder als detailversessener Filmemacher, der die dreißiger Jahre akribisch rekonstruiert, ohne seinen Film in eine Ausstattungsorgie zu verwandeln und den Blick für den Schwung der Erzählung zu verlieren.

Johnny Depp, der alle Womanizer-Allüren und Piraten-Ticks im Spind eingeschlossen hat, ist einfach großartig in der Rolle des schillernden Bankräuberkönigs.

Der Film ist komplett im Digital-Verfahren gedreht. Der Video-Look lässt die Bilder gegenwärtiger aussehen und verbannt alle Kostümfilm-Klischees.

Die visuelle Differenziertheit entspricht der inhaltlichen Gestaltung des lebensnahen Gangsterporträts, das statt auf Glorifizierung zu setzen, die widersprüchlichen Konturen und emotionale Bandbreite der Figur sorgfältig herausarbeitet.

Martin Schwickert

USA 2009 R: Michael Mann B: Michael Mann, Ronan Bennett, Ann Biderman K: Dante Spinotti D: Johnny Depp, Christian Bale, Marion Cotillard