AMERICAN PSYCHO

Yuppie im Blutrausch

Ein böses Buch wird ein braver Film

Aufgrund seiner expliziten Gewaltszenen galt Bret Easton Ellis Roman American Psycho (1991) lange Zeit als unverfilmbar. Jahrelang wurde das Skript mit spitzen Fingern herumgereicht. Als Regisseure waren Oliver Stone und David Cronenberg im Gespräch. Zwischenzeitlich setzte man auf eine Major-Produktion mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle, bis das Projekt wieder im Independent-Format in die Hände von Regisseurin Mary Harron zurückwanderte. In ihrem Debüt I Shot Andy Warhol (1996) porträtierte die kanadische Filmemacherin eine manisch-militante Feministin. Mit American Psycho inspiziert sie nun auf der anderen Seite der Barrikade die Abgründe männlicher Seelenlosigkeit.

Patrick Bateman (Christian Bale) ist der Prototyp eines amerikanischen Großstadtyuppies. Sein geistiges Koordinatensystem wird von Edelmarken und Designer-Labels bestimmt. Die akribische Beschreibung von Textilien und Einrichtungsgegenständen nimmt in Ellis Romanvorlage rund ein Viertel des Textvolumens in Anspruch. Der Film beschränkt sich auf Batemans Badezimmerzeremonie und die Erläuterung der beeindruckenden Körperpflegeserie. Bei Schwertfisch mit Zwiebelmarmelade sitzen Bateman und seine Wallstreet-Kollegen in Nouvelle-Cuisine-Restaurants und debattieren mit entleertem Zynismus über Politik, Frauen und Krawattenkombinationen. Man verwechselt sich oft gegenseitig, weil die Gesichter hinter den Markennamen verschwinden.

Hinter Batemans durchgestylter Persönlichkeitsfassade verbirgt sich ein Monster. Obdachlose und Prostituierte gehören zu seinen bevorzugten Mordopfern. Im Roman sind diese Szenen mit der gleichen herzkalten Akribie beschrieben, mit der Bateman die technischen Vorzüge seines Videorecorders erläutert. Regisseurin Harron hingegen deutet die Brutalität nur an. Wenn Bateman seinen Konkurrenten mit der Edelstahlaxt erschlägt und dabei sorgfältig darauf achtet, dass Teppichboden und Sakko nicht beschmutzt werden, siegt der schwarze Humor über den Voyeurismus. Statt in ausufernde Splatter-Szenen zu verfallen, konzentriert sich Harron auf die differenzierte Charakterisierung des Yuppie-Psychopathen, den Schauspieler Christian Bale mit explosiver Beherrschtheit verkörpert. American Psycho ist ein Zeitdokument. Die stilisierten Kulissen werden vom chromkühlen Design der späten 80er beherrscht, und Bateman doziert vor dem Morden gerne über die musikwissenschaftliche Bedeutung von Phil Collins und Huey Lewis and the News.

Im zeitlichen Abstand liegt vielleicht auch der Grund für den souveränen Umgang mit dem sperrigen Roman, der Anfang der 90er hitzige Kontroversen auslöste. Harrons American Psycho wird keinen kassenträchtigen Skandal mehr heraufbeschwören. Als messerscharfe Studie über den Geisteszustand der Konsumelite jener Jahre hat die exzellente Adaption allerdings schon jetzt einen sicheren Platz in der Filmgeschichte.

Martin Schwickert

American Psycho USA 1999 R: Mary Harron B: Mary Harron, Guinevere Turner. K:Andrej Sekula. D: Christian Bale, Willem Dafoe, Chloe Sevigny