PRINCESAS

Pitty Women

Zwei spanische Huren auf dem Weg ins Glück

Gleich in den ersten Bildern etabliert Fernando Leon de Aranoa sein unmögliches Konzept: Nähe und Diskretion, Lebensfreude und Verlorenheit, Realismus und Träumerei zugleich. Die Kamera klebt am Gesicht der charmanten Spanierin Caye (Candela Peña) mit wachen Augen und frecher Ponyfrisur, zeigt uns aber auch ein wenig einladendes Panorama zersiedelter Vorstädte. Caye ist unterwegs, um einen Teenager im Krankenhaus zu besuchen, der ein gebrochenes Bein und Geburtstag hat. Alle seine Freunde sind gekommen und begrüßen Caye aufgeregt. "Erst das Geld" sagt sie. Caye ist das Geburtstagsgeschenk. Wir aber werden auf den Gang zum Schmiere stehen geschickt.
Immer wieder guckt Princesas weg, verlegt wichtige Dialoge hinter schalldämmendes Glas, erzählt die dramatischsten Konflikte nur mit Blickwechseln. Dann wieder hecheln die Huren des Stadtviertels lang und länger im Friseursalon die Nachbarschaft durch. Besonders die Illegalen, die die Preise verderben, liefern Stoff für Stammtisch-Phrasen.
Caye gerät ausgerechnet an "so eine", die von einem Freier übel verprügelt wurde. Caye bringt Zulema (Micaela Nevárez) ins Krankenhaus und freundet sich mit ihr an. Zulema arbeitet auf der Straße, um ihrem Sohn in der Dominikanischen Republik Geld zu schicken, Caye spart ihren Lohn, um sich größere Brüste zu kaufen, und weder wirkt das eine kitschig, noch das andere albern.
Princesas ist keine Sozialreportage, sondern ein Märchen mit viel echtem Nachtleben aus Madrid. Viele Szenen kommen ursprünglich aus dem Klischee-Baukasten "Hure mit Herz", werden aber so eindringlich erzählt, als sähen wir sie zum ersten Mal.
Ahnt Cayes gutbürgerliche Familie, was sie tut? Was wird der nette Freund sagen, wenn er dahinter kommt? Können Konkurrentinnen überhaupt Freundinnen sein? Verdirbt die professionelle Kundenorientierung das Männerbild?
Ganz am Anfang kauft Caye Kondome in der Apotheke. Hinter ihr turnt ein kleines Mädchen auf der Automaten-Waage herum. "0 Kilo" sagt Caye über die Schulter, "so leicht. Du musst ein Engel sein." Die Mutter schüttelt den Kopf: "Man muss eine Münze einwerfen, sonst funktioniert es nicht." Wem dabei nicht das Herz stehen bleibt, der hat keins.

WING

Princesas. S 2006, R/B: Fernando Leon de Aranoa, K: Ramiro Civita, D: Candela Peña, Micaela Nevárez