»ABSOLUTE POWER« Diebesgut retour
Clint Eastwoods neuer Film bleibt hinter seinen Möglichkeiten. Luther Whitney ist ein Meisterdieb wie aus dem Bilderbuch: feinsinnig, kultiviert, elegant. In seiner Freizeit kopiert er im Museum alte Meister (was nicht verboten ist), diniert zuhause mit sich, und dann geht er los und bricht mühelos in hochgesicherte Villen ein. Naja, am Abend, an dem Absolute Power beginnt, tut er es das erste Mal seit vielen Jahren, und warum er es tut, ist auch nicht ganz klar, immerhin besitzt Mr. Whitney einen wohlgefüllten Panzerschrank in einer noblen Geheimwohnung, und als er ganz am Schluß die Sore einfach zurückgibt, scheint ihm der materielle Verlust nicht das geringste auszumachen. Es ist also wohl eher so: Luther Whitney ist ein Meisterdieb, er klaut zum Spaß und um die ganze Welt zu beeindrucken. Am Abend, als Absolute Power beginnt, bricht der Dieb also in eine Villa ein, um Juwelen und so Sachen zu klauen, die sich in einem Geheimkabinett hinter einem Einwegspiegel im Schlafzimmer befinden. Und wie Whitney da so munter seine Säcke füllt, hört er Geräusche. Schließt die Spiegeltür. Setzt sich auf den Stuhl, der dort praktischerweise mit Blick auf das Ehebett plaziert ist. Und sieht folgendes: Eine Dame (die Hausfrau, jung) kommt mit einem Herren (offensichtlich nicht der Hausherr, älter) ins Schlafzimmer und beginnt dort mit ihm jeme Dinge zu tun, die außer Schlafen in Schlafzimmern getan werden. Im Laufe des Geturtels offenbart sich, daß der Herr dominant-sadistisch veranlagt ist, was der Dame angst macht, was den Herrn sehr anmacht, worauf die Dame verständlicherweise in Panik gerät und mit einem Brieföffner Dinge tun will, die mit Brieföffnern in Filmen in solchen Situationen eben getan werden. Es wäre Notwehr gewesen, doch plötzlich stürzen zwei weitere Herren hinein und erschießen - die Dame. Dann kommt eine weitere Dame, macht ihrem Mißfallen über die Sauerei Luft und fragt den Herren recht fürsorglich, ob mit ihm alles in Ordnung sei. Und das alles beobachtet der Dieb hinter seinem Einwegspiegel und ist sehr befremdet. Während die Leute vor dem Spiegel beschließen, einen Einbruch vorzutäuschen und die Sache so zu vertuschen. Einiges hin und her, der Dieb wird schließlich entdeckt (aber nicht erkannt), immerhin kann er vor seiner Flucht noch den Brieföffner einstecken, an dem die Fingerabdrücke der inzwischen toten Dame und etwas Blut des Herren kleben. Der Herr ist nämlich der Präsident der Vereinigten Staaten und die tote Dame die Gattin seines wichtigsten Gönners, wie sich später herausstellt. Eine brisante Situation: der Held extrem bedroht von den Präsidentenbeschützern und später vom Cop, der nichts vom Präsidenten weiß, aber einen Einbrecher und Mörder sucht. Das ist eine ausgesprochen vielversprechende Ausgangssituation, vor allem, wenn man bedenkt, daß der Präsident von Gene Hackman gespielt wird, dessen Stabschefin von Judy Davis, der Cop von Ed Harris und der Dieb von Clint Eastwood, letzterer hat auch inszeniert und produziert. Nur hat William Goldman das Buch geschrieben, und seine große Zeit ist, wie man an Absolute Power sehen kann, offenbar vorbei. Es wimmelt von logischen Ungereimtheiten, von kleinen und mittleren Konstruktionsfehlern, von verschenkten Möglichkeiten und enttäuschten Erwartungen. Immerhin gibt es zwischendurch ein paar wirklich hübsch ausgeführte Einfälle, wie etwa ein Ehrentanz des Präsidenten mit seiner Stabschefin auf einem großen Ball: sie informiert ihn heiter über die letzten Katastrophen, und lachend diskutieren sie, wie sie die Affäre vertuschen können. Hübsch. Und toll inszeniert, wie der ganze Film.So bleibt Absolute Power erträglich, aber deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurück, was angesichts der großen Namen besonders enttäuschend ist.
Jens Steinbrenner
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