Poliezei

Im Bauch des Monster

Kinder- und Jugendschutz aus der Sicht einer Polizeieinheit

In Poliezei begibt sich die französische Filmemacherin Maïwenn dorthin, wo das Ungeheuerliche Alltag ist: Zu einer Einheit der Pariser Polizei, die für Kinder- und Jugendschutz zuständig ist. Ein knappes Dutzend Männer und Frauen arbeiten hier, und allein aus ihrer Perspektive blickt der Film auf die zahlreichen und sehr unterschiedlichen Fälle von Kindesmissbrauch.

Im Gewand eines scheinbar konventionellen Polizeifilmes steigt der Film ein in den nervenzehrenden Berufsalltag der Beamten. Die Konfrontation mit dieser Art von Verbrechen schweißt die Kollegen fest zusammen und dringt gleichzeitig unaufhaltsam in ihr Privatleben ein.

Ein rumänische Roma-Familie, die ihre Kinder zum Taschendiebstahl zwingt, eine gutbürgerliche Dame, die ihren Mann anzeigt, nachdem die Tochter ihr gesagt hat, dass der Vater sie "zu sehr" liebe, eine junge Mutter, die ihren einjährigen Sohn sexuell befriedigt, damit er aufhört zu schreien, eine Afrikanerin, die ihren Sohn bei der Polizei abgeben will, weil sie auf der Straße lebt und nicht mehr für ihn sorgen kann - die Fälle sind vielfältig und jeder davon ist herzzerreißend.

Aber wie hält man das aus, wenn man jeden Tag damit konfrontiert ist? Maïwenn zeigt in ihrem sehr differenziert charakterisierten Figurenarsenal, wie diese Arbeit auf verschiedenste Weise in die eigene Persönlichkeit einsickert. Das Spektrum reicht von generellem Männerhass und Weltverachtung bis zur Verunsicherung gegenüber den eigenen Kindern, etwa wenn der Vater seine kleine Tochter duscht und nicht mehr weiß, wie er sie mit dem Handtuch abtrocknen soll, ohne dem Kind möglicherweise zu nahe zu treten.

Es sind kurze, präzise Szenen wie diese, die die analytische Schärfe des Film ausmachen, der auf den ersten Blick wie eine Loseblattsammlung daherkommt, aber mit hochbeweglicher Kamera und semidokumentarem Stil nah dran bleibt an den Figuren und aus ihnen heraus eine glaubhafte Gruppendynamik im Polizeialltag entwickelt.

Martin Schwickert

Polisse F 2011 R: Maïwenn B: Maïwenn, Emmanuelle Bercot K: Pierre Aïm D: Karin Viard, Joey Starr, Marina Foïs