PINERO Gossenpoet
Wilder Kitsch über das kurze Leben eines Gossen-Poeten Ah, die Achtziger. Mit Borroughs auf dem Klo, mit Don Johnson am Set, und bei der Broadway-Aufführung eines Knast-Dramas klaut der Autor dem Schickeria-Publikum am Eingang die Pelzmäntel, um davon Stoff zu kaufen. Miguel Pinero hat alles mitgemacht. Eine reizende Kindheit, einen verschwindenden Vater, einen sexuell übergreifenden Onkel ... falls man die kurzen Häcksel in Leon Ichasos Film richtig versteht. Meist mit der Handkamera, fast immer unmotiviert zwischen Farbe und Schwarzweiß, Video- und Digital-Material wechselnd, rapt sich der kubanische Regisseur vorwärts und rückwärts durch Leben und Werk des puerto-ricanischen Dichter-Stars, der 1975 aus dem Gefängnis in den Himmel aufstieg und 1988, mit 40, elendiglich an Leberzirrhose auf einem Kneipenboden verreckte. Tout New York kam damals, um seine Asche auf der Lower East Side zu verstreuen. Sehr bewegend. Wenn nur die Kamera nicht immer so wackelte. Ichaso will um jeden Preis den Eindruck erwecken, er wolle eine Künstler-Legende vermeiden. Und zugleich erfindet er mit seinem aufdringlichen Pseudo-Doku-Stil einen reinen Helden am Gesellschaftsrand, der sich lieber tot-fixt und säuft, als vom Erfolg korrumpiert zu werden. So erfahren wir über den echten Künstler und Menschen zu wenig. Woher kommen Pineros breite Literaturkenntnisse? Wieso adaptiert ein Latino schwarze Spoken Word Poetry? Stammt der spätere Gangsta-Rap wirklich vom Salsa-Jazz ab? Und was treibt Miguel Pinero eigentlich so rettungslos nach unten? Benjamin Bratt treibt ihn. Der Schauspieler, der bisher nur als Ex-Mann an Julia Roberts Seite bekannt war, liefert eine erstaunliche Performance ab. An beiden Enden brennend, mal wilde Verse ausstoßend, mal leberleidend mitten im Satz einschlafend, mal wütender Engel am Straßenrand, mal Arschloch, mal liebender Freund, Sohn, Mann. Bratt reißt mit, wo die Geschichte und die Erzählweise einen ständig zurückstößt. Was allerdings überhaupt nicht funktioniert, ist Pineros Dichtung auf Deutsch. Die harte Sprache über dem weichen, synkopierten Latino-Rhythmus, die präzise verschliffenen Reime, die Verbindung von Pathos und - na sagen wir von heute aus mal Punk ... in der Übersetzung ist der Flow einfach weg: Just once before I die / I want to climb up on a tenement sky / to dream my lungs out till I cry / than scatter my ashes thru the Lower East Side
WING
USA 2001, R&B: Leon Ichaso, K: Claudio Chea, D: Benjamin Bratt, Talisa Soto, Mandy Patinkin, Rita Moreno,
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