»ST. PAULI NACHT« Short Cuts im Milieu
Begegnungen an einer beliebten Location St. Pauli Nacht ist ein Episodenfilm, den eine Klammer von Sonnenuntergang und Sonnenaufgang nur lose zusammenhält. Sönke Wortmann setzt auf eine bewährte Ensemblemischung - hier mit Benno Fürmann, Axel Milberg, Peter Sattmann, Maruschka Detmers und dem unausbleiblichen Armin Rohde - und rollt seine Geschichten immer wieder an neuralgischen Punkten auf. Wie in anderen Leinwandbeispielen scheint nicht unbedingt das Was der Geschichte entscheidend zu sein, sondern das Wie. Tom Tykwer kann sich auf die Fahnen schreiben lassen, jungdeutsche Regisseure zur Modellverliebtheit verführt zu haben. Bei Wortmann heißt das Modell Begegnungen, das mit professionellem Auge (Kamera: Tom Fährmann) erzählt wird. Es gibt keine durchgehende Figur, der wir folgen, sondern unzählige Personen, die wir kurz streifen. Ihre Geschichte erfahren wir meist während des zweiten Aufeinandertreffens mit ihnen, wenn sich ein Chaos (Schießerei / Dachstuhlbrand / Autounfall) ereignet hat. Autor Frank Göhre und sein Regisseur bemühen sich redlich, wenig Klischees aufzufahren und Lebensgeschichten in knappen Dialogen zu skizzieren. Von einer gelungenen Milieustudie sind sie leider Lichtjahre entfernt. Das Ensemble funktioniert als Straßenballett, bei dem der einzelne Tänzer verloren wirkt. So meistert Sönke Wortmann mit "St. Pauli Nacht" durchchoreographierte Unterhaltung, versagt sich aber den Schwung seines Frühwerkes.
Ulf Lippitz
|