Die Tribute von Panem - Catching Fire

Der Werdegang einer Rebellin

Der zweite Teil handelt trotz aller Action eher von inneren Kämpfen

Aus der Welle der Franchise-Unternehmen, die Jugendbuch-Bestseller auf der Kinoleinwand ihrer lukrativen Zweitverwertung zuführen, ragt die Verfilmung von Suzanne Collins' Die Tribute von Panem deutlich heraus. Hier geht es nicht um Zaubertricks, Zeitreiseprobleme oder die Qual der Wahl zwischen Vampir und Werwolf, sondern um ein halbwegs realistisches Zukunftsszenario, das die ökonomischen und gesellschaftlichen Tendenzen unserer Gegenwart auf kulturpessimistische Weise weiterdenkt.

In diesem Staat, wo im Capitol eine elitäre Klasse dem luxuriösen Leben frönt, während die Menschen in den zwölf Distrikten in Armut und Ausbeutung leben, spiegelt sich das zunehmende ökonomische Gefälle in der globalisierten Gesellschaft wider. Die "Hungerspiele", bei denen sich 24 Jugendliche als Tribute zur Belustigung und Einschüchterung des zugeschalteten Fernsehpublikums einen Kampf auf Leben und Tod liefern, sind in ihrer voyeuristischen Dekadenz eine Weiterentwicklung des Reality-TV à la "Big Brother" oder "Dschungelcamp".

In dieses wohlbekannte und interessant verfremdete Setting stellt Die Tribute von Panem eine starke, jugendliche Heldin, die zunächst nur ums eigene Überleben, später jedoch um sehr viel mehr zu kämpfen hat. Jennifer Lawrence spielt diese kraftvolle Identifikationsfigur Katniss Everdeen. Als der erste Panem-Film im letzten Jahr herauskam, galt sie noch als Newcomerin, heute ist die 23-jährige bereits eine viel beachtete Oscar-Preisträgerin - eine zufällige Parallelentwicklung, die nun auch ihre Figur im zweiten Teil der Trilogie, Catching Fire, auf ähnliche Weise durchlebt.

Als Siegerin und vor allem Überlebende der Hungerspiele sind Katniss und ihr Weggefährte Peeta (Josh Hutcherson) zu Stars im Capitol, aber auch zu Symbolfiguren des Widerstandes in den zwölf Distrikten geworden. Als prominentes Traumpaar werden sie durch das ganze Land gekarrt, aber dem Präsidenten Snow (Donald Sutherland) reichen die Demutsgebärden der beiden aufmüpfigen Tribute nicht aus. Im ganzen Land regt sich Widerstand gegen das diktatorische Regime. Mit dem 75. Jubiläum der Hungerspiele schickt Snow die Sieger der letzten Jahre noch einmal in die Arena und will zusammen mit dem neuen Spielleiter Plutarch Heavensbee (Philipp Seymour Hoffman) an der rebellischen Vorbildfigur ein tödliches Exempel statuieren.

War der erste Teil damit beschäftigt, die Funktionsweise des totalitären Panem-Regimes zu erklären, konzentriert sich der zweite Teil auf die innere Reifung der jungen Heldin von der Einzelkämpferin hin zu einer Rebellin, die erkennt, dass das System, in dem sie lebt, ihr den ersehnten Frieden nie geben wird. Was zunächst mit dem erneuten Eintritt in die Arena wie ein typischer Wiederholungszwang eines Sequels aussieht, entwickelt sich zwischen den zahlreichen Actioneinlagen zu der interessanten Charakterstudie einer traumatisierten Heldin, die sich nach den erlittenen Erfahrungen neu justieren muss. Jennifer Lawrence erweist sich in diesem zweiten Teil noch deutlicher als Idealbesetzung, weil sie Fragilität und Kämpfernatur absolut glaubwürdig ausbalanciert.

Auch die verschiedenen Bedrohungsszenarien, vom Giftgasnebel über Pavian-Attacken bis hin zur Rotation des Bodens unter den Füßen, dienen hier auf metaphorische Weise der Traumabewältigung. In der Arena muss die Einzelkämpferin Allianzen mit anderen Tributen eingehen, ihr tiefes Misstrauen überwinden und sich zu einer teamfähigen Persönlichkeit entwickeln, die am Ende ihren Pfeil nicht gegen andere, sondern in den künstlichen Himmel richtet und das System zum Absturz bringt.

Innerhalb der Romantrilogie ist Catching Fire als Zwischenglied und dramatische Schleuse angelegt hin zu einer Entwicklung, die Katniss im dritten und letzten Buch zur Rebellin reifen lässt. Regisseur Francis Lawrence hat diese keineswegs einfache Aufgabe, die Spannung zu halten und den bekannten Charaktere neue Facetten abzuringen, souverän gemeistert, ohne sich dem Größer-Schneller-Lauter-Zwang zu ergeben, an dem die meisten Sequels kranken.

Martin Schwickert

The Hunger Games: Catching Fire USA 2013 R: Francis Lawrence B: Simon Beaufoy, Michael Arndt, Suzanne Collins nach dem Roman von Suzanne Collins K: Jo Willems D: Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Woody Harrelson