DER SCHNEIDER VON PANAMA Vermintes Gelände Der Mann, der zuviel wußte Harry Pendel - schon der Name deutet eine unsicher hin- und herschwingende Existenz an, die sich hinter einem allzu gewöhnlichen Vornamen zu verstecken versucht. Harry Pendel (Geoffrey Rush) ist ein Schwindler. Alles in seinem Leben ist erlogen. Die Edelschneiderei, die er betreibt, beruft sich auf ein nichtexistierendes Londoner Traditionsunternehmen. Seine Ehe mit der resoluten amerikanischen Upper-Class-Tochter Louisa (Jamie Lee Curtis) ist das Ergebnis konsequenter Hochstapelei. Für sein verlogenes Leben hat sich Harry einen guten Platz ausgesucht: Panama - ein Nadelöhr für Kriminalität und Korruption. Ein Ort, an dem der Volksmund nicht umsonst Bankgebäude mit Waschvollautomaten vergleicht. Hier kostet Pendel sein erschwindeltes Familienglück ungestört aus, bis der britische Geheimdienstler Osnard (Pierce Brosnan) ihm in die Suppe spuckt. Osnard wurde vom MI-6 nach Panama strafversetzt und erhofft sich von dem erpressbaren Schneider Informationen über die Edelkundschaft aus Wirtschaft und Politik. Pendel verlässt sich auf das, was er am besten kann: lügen. Er fantasiert eine stille Opposition herbei, erfindet Staatsstreichpläne, füttert die gierige Geheimdienstmaschinerie mit immer absurderen Szenarien und bringt seine besten Freunde dadurch in Lebensgefahr, während das Pentagon schon zur Invasion des Kanalstaates rüstet. Mit seinen Agentenromanen, von Der Spion, der aus der Kälte kam (1965) bis zu Das Russland-Haus , hat John Le Carré - in den 50er Jahren selbst als Spion der britischen Krone aktiv - die ganze Ära des Kalten Krieges belletristisch begleitet. Mit Der Schneider von Panama zeichnet Le Carré ein schwarzhumoriges Bild vom Selbstlauf der Geheimdienste, denen nach dem Ende der Blockkonfrontation die Feindbilder abhanden gekommen sind. Spionage ist hier keine Frage der Ehre oder Weltenrettung, sondern dient allein der lukrativen Vermarktung von Informationen. Regisseur John Boorman ( Point Blank/The General ) gelingt es perfekt, die Geschichte zwischen politischer Satire, tiefenscharfer Charakterstudie und moralischer Bestandsaufnahme auszupendeln. Seine beiden Hauptdarsteller lockt Boorman nicht ohne Geschick auf ungewohntes Terrain. Geoffrey Rush, der kürzlich erst in Quills wieder einmal durch ungehemmtes Overacting nervte, spielt den geschmeidigen Opportunisten mit präziser Zurückhaltung. Anfangs glaubt man noch eine dieser typischen Rush-Exzentriker vor sich, aber schon wenig später sinkt sein Hochstapler Pendel in sich zusammen und bewegt sich durch das eigene Leben wie durch ein Minenfeld. Nur widerwillig entwickelt er sich vom devoten Schwindler zum wenig erfolgreichen Helden. Pierce Brosnan als ruchloser Geheimdienstler hat endlich genug Raum, die fiesen Seiten seines Bond-Images auszuloten und nutzt dies - im Rahmen seiner limitierten schauspielerischen Möglichkeiten - auch gerne aus. Ihm gegenüber steht die wunderbare Jamie Lee Curtis als unangreifbare moralische Festung im Spionagesumpf. Formal präsentiert sich Der Schneider von Panama als Polititthriller in attraktiver tropischer Umgegbung mit prallem Verschwörungspotential und zünftigen Autoverfolgungsjagden. Aber zwei alte Hasen wie Boorman und Le Carré verlieren sich nicht in diesen Oberflächenreizen, sondern konzentrieren sich auf die Wandlungsfähigkeit ihrer Figuren, lassen gelegentlich den moralischen Kern der Geschichte durchschimmern und ummanteln diesen dann mit feinstem britischen Humor. Martin Schwickert The Taylor of Panama USA/Irland 2001 R: John Boorman B: Andrew Davis, John Le Carré, John Boorman K: Philippe Rousselot D: Geoffrey Rush, Pierce Brosnan, Jamie Lee Curtis
|