PALERMO SHOOTING Endstadium Das wird hart: Wim Wenders sucht den Sinn des Lebens Nach fünfzehn Jahren kehrt Wim Wenders aus den USA zurück nach Deutschland. Back to the Roots - in die Geburtsstadt Düsseldorf, wo der Fotograf Finn (Campino), der unübersehbar als Alter Ego angelegt ist, ein hektisches Künstlerdasein fristet. In einem riesigen Hi-Tech-Atelier regiert er die eigenen Bilderwelten und lässt von seinen Mitarbeitern Großstadt-Panoramen für die nächste Ausstellung digital manipulieren. An der Hochschule, an der Finn unterrichtet, fragt eine Studentin, was denn hinter seinen Bildern eigentlich stecke. "Nichts" erklärt der sichtlich gelangweilte Lehrer "Die Dinge sind nur Oberfläche - das ist doch nicht so schwer zu verstehen." Vielleicht fühlt sich Finn deshalb mehr zum Kommerz hingezogen. Die Aufträge aus der Modebranche reißen nicht ab und sein Agent warnt davor, die Kunstklientel zu vergraulen. Nachts auf der Autobahn weicht Finn mit seinem Cabriolet gerade noch so einem Geisterfahrer aus. Diese Nah-Tod-Erfahrung wirft den kriselnden Künstler endgültig aus der Bahn. Nach einem Foto-Shooting mit der hochschwangeren Milla Jovovich in Palermo schaltet er das Handy ab und klinkt sich aus. Ziellos streift er durch die Gassen der stilvoll zerfallenden Stadt und fängt an, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Immer wieder döst er auf einer Bank oder dem Sims eines Brunnens ein und gleitet in halluzinatorische Welten ab, in denen ihm ein Bogenschütze auflauert. Einmal als er erwacht, sitzt die schöne Flavia (Giovanna Mezzogiorno) mit ihren bergseeblauen Augen ihm zeichnend gegenüber. Die Restauratorin entführt den Fotografen in die Welt der sakralen Fresken und wird zu seiner Beschützerin. Eine Konfrontation mit dem müden Gevatter Tod, den ein bleichgesichtiger Dennis Hopper verkörpert, ist unausweichlich. Schließlich geht es Wenders darum, die "letzten Fragen" zu stellen: nach dem Leben, der Liebe, dem Tod und dem Sinn dieser ganzen ach so rätselhaften irdischen Existenz. Das geschieht vor allem im Off-Kommentar, in dem Campino herum philosophieren darf, als wäre er der Dorfälteste einer esoterischen Landkommune und nicht der Sänger der Toten Hosen . Als das Mobiltelefon mystische 23 Anrufe in Abwesenheit meldet, sinniert er auf der Tonspur: "Geht es Ihnen auch so, dass Sie sich nie anwesend fühlen? Man merkt es erst hinterher, wenn es zu spät ist." Lebensweisheiten dieser Güte, die mit dem breiten Pinsel über den ganzen Film verteilt werden, steigern definitiv die Abwesenheitssehnsüchte des Publikums. Wenders' allegorische Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des menschlichen und künstlerischen Daseins entwickelt sich zum prä-senilen Egotrip mit narkotischen Effekten. Die aufdringlichen Bildmetaphern von apokalyptischen Reitern, Totenschädeln, tickenden Uhren und verlassenen Hafenanlagen wirken wie eine Power-Point-Präsentation zum Thema Tod. Hinzu kommt noch eine bisschen Referenzsalat von Antonionis Blow Up über Bergmans Das siebente Siegel bis zu Lynchs Lost Highway , was aber nur noch deutlicher macht, dass Wenders weitaus weniger zu sagen hat, als er mitteilen möchte. Martin Schwickert D/I 2008 R&B: Wim Wenders K: Franz Lustig D: Campino, Giovanna Mezzogiorno, Dennis Hopper
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