»TIEF WIE DER OZEAN« Tränentiere
Ulu Grosbard läßt eine Familie weinen Allein der Titel suggeriert vieles, was der Film einlösen wird: getragenes Pathos, melodramatische Schübe und glasklare Tränenbäche. Geradezu im Überschwang steigt Regisseur Ulu Grosbard in die Abgründe der Empfindsamkeit und verwickelt Michelle Pfeiffer in eine komplizierte Mutter-Sohn-Fabel. Am Anfang freilich zeigt Grosbard die glückliche Familie: Beth (Pfeiffer), den zupackenden Gatten Pat (Treat Williams), drei Kinder und das exemplarische Vorstadtheim. Die Idylle ist dermaßen überhöht, daß ein Harmoniebruch fällig und - um Schwung in den Film zu bringen - wünschenswert erscheint. Kurze Zeit später tritt das Erwartete ein: Der dreijährige Ben verschwindet spurlos im überfüllten Hotelfoyer, die Streicher summen bedrohlich - und der intakte Kosmos war einmal. Eine halbe Stunde vergeht, in der das Muttertier Pfeiffer in Lethargie und angedeuteten Schuldkomplexen versinkt. Die beisitzende Familie seufzt neun Jahre vor sich hin, ohne daß der Film dem Umstand eine dramatische Klimax abgewinnen kann. Schließlich taucht ein Teenager auf, in dem Beth den verlorenen Sohn wiedererkennt. Ben muß sich notgedrungen in die alte neue Familie integrieren, alte Wunden reißen auf, das alte Spiel um Verlust und Identität beginnt erneut - nur ausgewalzter und leicht effektvoller. Den Filmemachern gelingt mit der Adaption des gleichnamigen Buches von Jacquelyn Mitchard eine ausgesprochen farblose Inszenierung, in der Michelle Pfeiffer kein Zentimeter Star, sondern B-Schauspielerin ist. Das gravierendste Problem indes bleibt die Dramaturgie. Drehbuchautor Stephen Schiff verfehlt die Goldene Regel des Mainstreamkinos, die besagt, daß der zentrale Konflikt innerhalb der ersten Viertelstunde aufgestellt sein sollte. Der Film läßt sich jedoch gehörig Zeit für Zwischenprobleme, bis die Schauspieler zur Konfliktbewältigung schreiten. Hartgesottene Fans der Pfeiffer finden vielleicht masochistischen Spaß an der miserablen Qualität des Streifens. Für alle Übrigen gilt: Geld sparen und nachsinnen, wie tief auf dem Ozeangrund dieser Film lagern sollte.
Ulf Lippitz
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