OLGA
Das Muttertier Olga Benario wird auf Telenovela-Maß zurechtgestutzt
In der DDR gehörte Olga Benario, die 1942 im Konzentrationslager ermordet wurde, zu den antifaschistischen Ikonen. Sieben Straßen in verschiedenen Städten und 91 Schulen, Fabriken und Brigaden waren nach ihr benannt. Als Tochter in ein bürgerlich-jüdisches Elternhaus in München geboren, ging sie mit 17 Jahren nach Berlin, um dort im kommunistischen Jugendverband zu arbeiten. Nach der spektakulären bewaffneten Befreiung ihres Lebensgefährten Otto Braun aus dem Gerichtsgebäude flieht sie 1928 nach Moskau, wo sie leitende Funktionen in der kommunistischen Jugendinternationale übernimmt. Von der Partei wird sie 1934 an der Seite von Luís Carlos Prestes nach Brasilien geschickt, wo sie die Revolution gegen das dortige Militärregime in Gang setzen sollen. Der Aufstand scheitert. Benario und Prestes werden verhaftet. Trotz internationaler Proteste wird Olga Benario, die ein Kind von Prestes erwartet, 1936 nach Deutschland abgeschoben.
Der Stoff hat genügend dramatisches Potenzial für ein Frauenporträt, ein Historienepos, ein Politdrama, eine herzzerreißende Liebesgeschichte und ein moralisches Lehrstück. Leider konzentriert sich der brasilianische Filmemacher Jayme Monjardim nicht auf eine der Möglichkeiten, sondern schießt in alle Richtungen. Anfangs hofft man noch, dass der Film einen kritischen Zugang zur Figur der glühenden Kommunistin findet, die von der brasilianischen Schauspielerin Camila Morgado überzeugend verkörpert wird. Die emotionalen Verhärtungen, die mit dem Dasein als Parteisoldatin einher gehen, werden nur angedeutet und verlieren sich im Ungefähren, als die Geschichte in amouröse Gefilde vordringt. Im schmalzigen Tele-Novella-Stil wird die Beziehung zwischen Benario und Prestes in Szene gesetzt, wenn im Untergrundkampf die revolutionären Gesten mit den großen Gefühlen verschmelzen. Dazu schmachten aus dem Off kitschtriefende Variationen der Internationalen. Ganz außer sich gerät der Orchestergraben, als Benario im Berliner Gestapo-Gefängnis von ihrem Kind getrennt wird - als ob die Szene nicht auch ohne Fortissimo genügend Tragik in sich birgt. Bis dahin hat der Regisseur nur wenig von der kommunistischen Revolutionärin übrig gelassen und sie konsequent in die Rolle der kämpfenden Mutter gedrängt. Als entpolitisierte Heilige marschiert sie erhobenen Hauptes in die Gaskammer.
Es ist unbegreiflich, wie man solch ein widersprüchliches und tragisches Leben in solche eine pseudoepische Seifenoper verwandeln konnte.
Martin Schwickert
Bras 2005 R: Jayme Monjardim B: Rita Buzzar K: Ricardo Della Rosa D: Camila Morgado, Caco Ciocler, Fernanda Montenegro
|