»OFFICE KILLER«

Leichen im Keller

Die Fotografin Cindy Sherman dreht einen Horror-Film.

Der Fachmann unterscheidet zwischen "movies" und "stills". Das eine bewegt sich, das andere nicht. Die Fotografin Cindy Sherman ist berühmt geworden dafür, dass sie "stills" macht, die wie eingefrorene "movies" wirken. Sie inszeniert Augenblicke stillgestandener Dramatik, und dafür hängt sie zu Recht im Museum.
Die Idee, Cindy Sherman als Regisseurin für einen Spielfilm zu engagieren, ist entweder genial oder bekloppt. Nach Sichtung von Office Killer muss man leider letzteres konstatieren. Wobei der Film immerhin zwei zufriedenstellende Einfälle hat: erstens Carol Kane als graue Büro-Maus, die sich für ihre Umstellung auf Teilzeitarbeit rächend durchs Personal metzelt, zweitens die Ermordung von Barbara Sukowa, was einen nach ungefähr der Hälfte des Films von einer grausamen schauspielerischen Darbietung befreit; auf ihre Weise löst die Sukowa als einzige das Versprechen ein, bei Office Killer handele es sich um einen Horror-Film.
Office Killer ist eine reine Kopfgeburt. Die Produzentinnen Christine Vachon und Pamela Koffler kannten sich aus der Zusammenarbeit von Kids und I Shot Andy Warhol . Sie wollten unbedingt mal einen Horror-Film produzieren, wofür sie extra die Firma "Killer Films" gründeten. Sie engagierten die Time Out -Mitarbeiterin Elise MacAdams fürs Drehbuch, den Werbeclip-Filmer Russell Fine für die Kamera - und eben die Sherman für die Regie. Und so sieht das dann auch alles aus: viele gutgewillte Amateure hatten ganz viele tolle Ideen.
Carol Kane ist seit 16 Jahren als Tippse für eine Zeitung tätig. Jeanne Tripplehorn ist als Rationalisierungs-Expertin eingestellt worden und verschickt reihenweise Kündigungen. Gleichzeitig begeht sie Unterschlagungen. Als auch die Kane auf Teilzeitarbeit gesetzt wird, mordet sie sich nach Feierabend durch die Chefetage, räumt die Leichen ordentlich weg und setzt sie bei sich zu Hause im Keller vor den Fernseher - sie will nämlich nichts anderes, als einfach nur Heile Familie spielen; denn als Kind wurde sie von Daddy - wir befürcheten es die ganze Zeit - mißbraucht. Eine Untat übrigens, für die auch Daddy vor der Zeit ins Gras beißen mußte.
So weit, so lustig.
Jedes Bild dieses Films wäre was fürs Museum - wenn es sich nicht dauernd bewegte. Stilisierung leidet doch merklich unter Veränderungen. Da ein Film weniger von Bildern als von Personenentwicklung, innerer Logik und einer gewissen Spannungskurve lebt, reicht das nicht. Daran hapert's nämlich gewaltig, jede Szene reiht sich beliebig an die nächste, der Film springt in der Geschichte hin und her, bis man alle Lust verloren hat, sich auf das Gefühlsleben einer der Personen einzulassen.
Dementsprechend leidet die Spannung, denn wer als nächstes von Carol Kane eingekellert werden wird, ist einem bald ziemlich egal (hinzu kommt leider noch eine fürchterliche Synchronisation).
In einem Interview mit der "Neuen Zürcher" hat die Cinbdy Sherman auf die unvergeichliche Frage "Wie erlebten Sie den Schnitt?" geantwortet: "Es hat Spaß gemacht." Na wenigstens ihr.

Thomas Friedrich