Eine offene Rechnung Nazijäger Ein solider Thriller mit doppeltem Boden Trotz des Oscar-Regens für Shakespeare in Love (1998) hat der britische Regisseur John Madden in Hollywood nie richtig Fuß gefasst. Seine Zweite-Weltkrieg-Schmonzette Corellis Mandoline (2001) spielte kaum mehr als die Produktionskosten ein. Das Mathematikerdrama Der Beweis (2005) floppte an der Kinokasse genauso wie die Elmore Leonard-Verfilmung Killshot. In seinem neuen Film Eine offene Rechnung entwirft Madden nun einen geradlinigen, konventionellen Polit-Thriller, der sich in der Tradition von John Schlesingers Marathon Man (1976) sieht. Erzählt wird die Geschichte in Rückblenden aus der jüngsten Vergangenheit heraus. Ende der neunziger Jahre werden die drei früheren Mossad-Agenten Rachel (Helen Mirren), Stephan (Tom Wilkinson) und David (Ciarán Hinds) in Israel immer noch als Helden gefeiert, weil sie den berüchtigten KZ-Arzt Dieter Vogel (Jesper Christensen) in der DDR gefangengenommen und nach eigenem Bekunden bei einem Fluchtversuch erschossen haben. Von dort aus spult der Film zurück in die sechziger Jahre, wo die drei jungen Agenten in einer schäbigen Ostberliner Altbauwohnung die Entführung Vogels vorbereiten, der unbehelligt in einer Arztpraxis als Gynäkologe arbeitet. Rachel (Jessica Chastain) begibt sich als Patientin in die Hände des Mediziners, um die Örtlichkeiten auszukundschaften. Die Gefangennahme des Arztes gelingt, allerdings scheitert der Versuch durch die streng gesicherte DDR-Grenze hindurch nach Westberlin zu gelangen, von wo aus Vogel nach Israel verbracht werden soll. Und so kehren die Entführer zurück in die konspirative Wohnung, wo das Warten auf eine neue Fluchtmöglichkeit und zermürbende Auseinandersetzungen zwischen den Kidnappern und dem Gefangenen beginnen. In Eine offene Rechnung beweist sich John Madden als souveräner Genre-Regisseur, der seine spannende Politthriller-Story vor der bewährten Kulisse des Kalten Krieges schnörkellos und konzentriert erzählt. Der gelernte Theatermann findet eine gute Balance zwischen den kammerspielartigen Sequenzen innerhalb der Wohnung und den dynamisch geschnittenen Actionszenen. Die Rückblendendramaturgie nervt hier nicht durch unmotiviertes Herumhoppeln, sondern wechselt ebenso sparsam wie elegant zwischen den Zeitebenen. Die erzählte Gegenwart wird nicht nur als Rahmenhandlung genutzt, sondern entwickelt sich im letzten Drittel zum selbstständigen Spannungsträger. Abgerundet wird dieses grundsolide Stück Unterhaltungskino durch die interessante Besetzung. Im hyperattraktiven Jungagenten-Trio zeigt Sam Worthington, dass er auch ohne Unterstützung eines Avatars schauspielerisch handlungsfähig ist, und Jessica Chastain findet das richtige Gegengift zur ätherischen Mutterikone, die sie in The Tree of Life spielte. Als ihre ältere Reinkarnation führt Helen Mirren das Publikum souverän zum etwas zu blutig geratenen Finale, und der dänische Schauspielveteran Jesper Christensen ringt dem Stereotyp des bösen Nazis noch einige durchaus interessante Facetten ab. Martin Schwickert The Debt USA 2011 R: John Madden B: Matthew Vaughn, Jane Goldman, Peter Straughan K: Ben Davis D: Helen Mirren, Tom Wilkinson, Ciarán Hinds
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