NORDWAND

Deutsche Jungs

Zwischen Nazi-Propaganda-Show und Abenteuerlust: Der Versuch der Erstbesteigung der Eiger-Nordwand 1936

Die Eiger-Nordwand ist nicht nur steil sondern auch ein Mythos. Der 1.800 Meter hohe Anstieg ist berüchtigt für seine unkontrollierbaren Lawinen und Wetterumschwünge. Lange Zeit galt "das letzte Problem der Alpen" als unbezwingbar. Auch deshalb war der Ort für die Nationalsozialisten eine Art Gottesgeschenk. Um die Übermacht der arischen Rasse nachhaltig zu demonstrieren, sollte der gefürchtete Gipfel im Vorfeld der Olympischen Spiele 1936 erstmals von deutschen Helden erklommen werden.

In seinem packenden Drama Nordwand greift Regisseur Philipp Stölzl ( Baby ) dieses authentische Kapitel der deutschen Geschichte auf und formt es zu einer spannenden Bergsteigertragödie um.

Die bayrischen Gebirgsjäger Toni Kurz (Benno Fürmann) und Andi Hinterstoisser (Florian Lukas) sind landesweit bekannt für ihre waghalsigen Klettertouren. Bis nach Berlin hat sich ihr Ruf herumgesprochen. An die Eiger-Nordwand haben sie sich allerdings noch nicht herangetraut. Erst der Berliner Journalist Henry Arau (Ulrich Tukur) und die Volontärin Luise Fellner (Johanna Wokalek) schaffen es, Toni und Andi im Juli 1936 für das Abenteuer "Erstbesteigung" zu gewinnen.

Zunächst verläuft der Aufstieg ohne Probleme. Doch dann geraten die beiden Freunde gemeinsam mit zwei österreichischen Kontrahenten in ein schweres Unwetter.

Eingebettet in das fantastische Panorama des Berner Oberlandes schickt Stölzl seine Darsteller ins Hochgebirge. Vor allem Benno Fürmann und Florian Lukas müssen dabei Höllenqualen durchleiden. Ihr Schicksal am Berg wird derart plastisch dargestellt, dass der Zuschauer regelrecht ins Frösteln gerät.

Doch mehr als die untertemperierten Erlebnisse der Alpinisten steht zunächst die verzweifelte Suche der Nazis nach echten Helden im Vordergrund. Obwohl ziemlich schnell deutlich wird, dass Toni und Andi zwei Lausbuben sind, die mit Hitlers Politik wenig im Sinn haben, werden sie von Presse und Politik entsprechend eingespannt.

Die Gegenüberstellung von nationalsozialistischem Größenwahn und purer Abenteuerlust ist die große Stärke von Stölzls Film. Stölzl arbeitet dabei mit süffisantem Humor und harten Schnitten. Die Gegensätze könnten drastischer kaum sein. Wenn die Bergsteiger etwa bibbernd und frierend in ihrer eiskalten Graupensuppe herumstochern, erfolgt umgehend der scharfe Schnitt auf den üppig gedeckten Tisch des Hotelrestaurants, wo es sich die schaulustigen Journalisten wohlergehen lassen.

Im Schatten der Nordwand verliert Stölzl diese medien- und gesellschaftskritische Facette seines Films allerdings immer weiter aus den Augen. In der zweiten Filmhälfte triumphiert der Kampf gegen den Berg. Zudem baut sich zwischen Toni und Luise eine etwas verkitschte Romanze auf, die den spannenden Inhalt verwässert.

Durch seine imposanten Aufnahmen und die frostige Atmosphäre ist Nordwand "dennoch ein mitreißendes Erlebnis, das getrost als Wiedergeburt des Bergfilms gefeiert werden darf. Luis Trenker hätte an Nordwand jedenfalls seine Freude gehabt.

Oliver Zimmermann

D 2008 R: Philipp Stölzl B: Rupert Henning, Johannes Naber K: Kolja Brandt. D: Benno Fürmann, Johanna Wokalek, Florian Lukas, Ulrich Tukur, Erwin Steinhauer