NOKAN - DIE KUNST DES AUSKLANGS Letzte Reise Der Feature-Film über japanische Aufbahrungsrituale erhielt einen Oscar Sind Sie depressiv?" fragt der Chef als Erstes beim Vorstellungsgespräch, und als Daigo (Masahiro Motoki) vage den Kopf schüttelt, wird wenige Sekunden später der Arbeitsvertrag per Handschlag besiegelt, ohne dass der Bewerber weiß, auf was er sich da eingelassen hat. In der Annonce war von der Begleitung bei einer Reise die Rede. Dass es sich dabei um die letzte Reise der verstorbenen Kundschaft handelt, lässt den jungen Mann zurückschrecken. Aber Daigo braucht den Job. Er ist gerade mit seiner Frau aus Tokio in seine Heimatstadt im Norden zurückgekehrt, nachdem er seine Karriere und seinen Lebenstraum als Cellist aufgegeben hat. Das Paar lebt im Haus der verstorbenen Mutter, die dort ein Café geführt und den Jungen allein groß gezogen hat, nachdem dessen Vater die Familie verließ. In den Regalen stehen noch die Schallplatten des Vaters als Zeugen der musikalischen Leidenschaft, die der Sohn lange verfolgt und nun wegen nicht hinreichender Begabung aufgegeben hat. In Japan wird das Waschen, Schminken und die Aufbahrung des Toten als Zeremonie im engeren Freundes- und Familienkreis zu Hause durchgeführt. Es ist das letzte private Abschiednehmen, bevor der Leichnam in den Sarg gelegt wird. Der alte Meister Ikuei Sasaki (Tsutomu Yamazaki) führt diese Waschung mit äußerster Eleganz und Würde durch. Wenn er seine Arbeit getan hat, liegen die Verstorbenen scheinbar in vollkommenen Frieden und Einklang mit sich im Totenbett. Immer wieder kehrt Nokan, der in diesem Jahr überraschend den Auslands-Oscar gewonnen hat, zurück zur Zeremonie und zeigt, wie unterschiedlich die Hinterbliebenen mit dem Schmerz des Abschieds umgehen und benutzt diese Szenen gleichzeitig als Reflektion für die seelische Verwandlung seines Helden. Daigo verschweigt seiner Frau, was genau er bei seinem neuen Job tut. Als sie es herausbekommt, wendet sie sich von ihm ab und stellt den gutmütigen Ehemann auf die Probe. Aber Daigo bleibt bei seiner Arbeit, die ihn auch immer tiefer an die eigene verdrängte Familiengeschichte heranführt. Sicherlich ist Nokan kein Film der großen Überraschungen. Die Entwicklung des Protagonisten ist vorhersehbar und Takita versucht auch erst gar nicht durch spektakuläre Plotwendungen zu punkten. Dennoch verfolgt man die Geschichte mit wachem Blick, weil der Film seine innere Spannung aus dem harmonischen Wechseln zwischen Kontemplation, Humor und lebensphilosophischen Erläuterungen findet. Dass er dabei gelegentlich die Grenze zur Sentimentalität streift, verzeiht man diesem Film, der durch seine innere und ästhetische Ausgewogenheit überzeugt, nur zu gern. Martin Schwickert Okuribito. Japan 2008 R: Yojiro Takita B: Kundo Koyama K: Takeshi Hamada D: Masahiro Motoki, Ryoko Hirosue, Tsutomu Yamazaki
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