»NESSIE - DAS GEHEIMNIS VON LOCH NESS«

Herzens-Schlangen

Dinos sieht man nur mit den Fersen gut

Einerseits ist fast alles an diesem Film zum Weglaufen mißraten. Bis hin zu den gegen Ende kurz hereinschauenden Mythos-Drachen, für die sich Effects-Firmen-Gründer Jim Henson sicher im Grabe umdreht. Andererseits ist manches dann doch zum Hinschmelzen schön geworden. Rothaarige Frauen etwa, die in groben Pullovern auf windigen Ufern stehen. Wartend.
Die eine ist ein kleines Mädchen, die andere ist ihre Mutter, und beide verdrehen Ted Danson den Kopf. So weit, bis unklar wird, ob wir hier einen Kinderfilm haben (mit einem begleitenden Nessie-Märchen-Wettbewerb der Stiftung Lesen) oder eine ausgewachsene Herzergreifung in Weisheit. Und der Film selbst nicht mehr weiß, von welchem Ufer aus er die darunterliegende "Ein Amerikaner in Europa"-Geschichte erzählen will.
In Kürze: ein abgehalfterter Zoologe aus L.A. soll das Geheimnis von Loch Ness mit einem kompletten Echo-Lot-Scan endgültig auflösen. Das gelingt, der Teich ist ungeheuerfrei, die wissenschaftliche Reputation kommt wieder auf die Beine und die spröde Pensions-Wirtin am Abschieds-Abend in sein Bett.
Allerdings auch deren Tochter, mit einem selbstgemalten Saurier-Bildchen, das überzufällig gut zu einem verschwommenen Foto früherer Forscher paßt. Gibt's Nessie doch?
Na klar. Und natürlich kann man sie nur sehen, wenn man dran glaubt. Weshalb der schwerste Fehler des Films ist, uns Ungläubige mit dem Augenschein bekehren zu wollen. Es hätte doch völlig gereicht, den grandiosen Ian Holm als sagenumwobenen "Hüter des Sees" weiter im Nebel herumpaddeln zu lassen - mal allzu vorwitzige Nessie-Jäger vergraulend, mal vom Zauber gerührte Amerikaner aus dem Wasser ziehend.
Stattdessen müssen wir das Monster sehen, statt mit dem Herzen sollen wir durch Kinderaugen staunen - und nur damit der vom Skeptiker zum Mystiker genesende Wissenschaftler am Ende eine große Enttarnungs-Konferenz platzen läßt. "Alles Schwindel" sagt er, und kehrt wissend lächelnd heim ans Loch der rothaarigen Frauen. Was ein wunderbarer Schluß gewesen wäre, hätten wir nicht vorher mitansehen müssen, wie ihm und uns der Schwindel als echt verkauft wird.
Der Schwindel am Geheimnis von Loch Ness ist, daß der Film nicht wegen seiner Sentimentalitäten schlecht ist, nicht wegen seiner unklaren Anti-Modernität - sondern weil er die gefeierte Haltung zum Rätsel selbst nicht hat. Und das Geheimnis am Schwindel ist, daß er einen doch erfassen kann, wenn man nur nicht zu genau auf die vielen Fehler in Figurenzeichnung, Handlungsführung und Herzensbildung schaut. Nicht nur so gesehen hat man am meisten vom Film, wenn man gar nicht erst hingeht. Aber das wäre wohl die Sorte Logik, auf die rothaarige Frauen in groben Pullovern an windigen Ufern gerade nicht gewartet haben.

WING