»MULHOLLAND FALLS - NACH EIGENEN REGELN« Gestenkino
Ein Krimi ohne Story Selten waren derart viele gute Leute beisammen, um einen Film derart stilvoll vor die Wand zu fahren. Regisseur Lee Tamahori konnte für seinen zweiten Spielfilm (nach Die letzte Kriegerin ) aus dem Vollen schöpfen. Das Drehbuch schrieb ihm Pete Dexter, für die Hauptrollen bekam er Nick Nolte, Chazz Palminteri, Melanie Griffith, in Nebenrollen tauchen auf: Bruce Dern, Chris Penn, Treat Williams, John Malkovich, Michael Madsen, die Musik schrieb Dave Grusin, und produziert wurde alles von Richard & Lili Zanuck. Viel Geld, viel Talent - und so wenig Film. Dabei sind alle so gut wie schon lange nicht mehr. Nick Nolte als großer böser Bulle, der eine Spezial-Einheit der L.A.-Police in den 50ern kommandiert (die sogenannte "Hat Squad", weil die Kerle immer ihre Hüte aufbehalten), ist ein harter und sentimentaler Hund, einer, der die Gesten des Machotums genauso beherrscht wie die kleinen Momente der Irritation. Melanie Griffith als seine Frau war seit Gefährliche Freundin nicht mehr so konzentriert und beeindruckend bei der Sache. Malkovich (nach seinem Finsterling-Klamauk Der Unhold) darf endlich mal wieder ein bißchen zeigen was er kann, und Palminteri, der sonst leicht ins Knallchargen-Fach rüberlangt, spielt hinreißend gut einen geistig etwas schlichten Cop der "Hat Squad", der sich seine Berufs- und Privatprobleme von einer Psychiaterin behandeln läßt (die nie auftaucht) und damit seinen Kumpels schwer auf die Nerven geht. Die Decors sind vom Feinsten, der Schnitt (Sally Menke) ist präzise ... was also zum Teufel macht Mulholland Falls so sterbenslangweilig? Zunächst mal die Geschichte. Daß Pete Dexter als Autor viel mehr taugt denn als Drehbuchautor, war schon in Paris Trout zu besichtigen: ein großes Buch, ein peinliches Drehbuch. Regisseur Lee Tamahori wiederum war ein bißchen sehr in die Gewalt verliebt. Wenn die "Hat Squad" die Gegner aufmischt, dann steigt die Atmosphäre im Saal - wenn zwei sich unterhalten, wissen Kamera, Buch und Schauspieler eigentlich nicht, was sie hier sollen; am schlimmsten ist ein langer Dialog von Malkovich und Nolte - man kann den beiden beim Absaufen förmlich zusehen. Pures Gestenkino entsteht, wenn die Kamera über Hüte, Anzüge und Decors fährt und die Schauspieler effektvoll mit dem Gesicht zucken; nur passiert leider gar nichts (wenn man von jeweils zwei Licht- und Anschlußfehlern absieht). Die Geschichte ist so platt wie ihr Opfer: Ein totes Mädchen wird im Sand gefunden, jeder Knochen gebrochen, als ob eine Dampfwalze darübergefahren wäre. Nick Nolte hatte mal eine Affaire mit ihr, und ganz schnell führen die Spuren in diesem Mordfall in ein Militärcamp, wo Atombombenversuche durchgeführt werden. Das gibt dann am Ende einen Schuß Gesellschafts- respektive Regierungskritik, was die Geschichte aber auch nicht mehr rettet. Denn die "Hat Squad", um die es angeblich geht, ist nach der Hälfte des Films veschwunden. Nur Nick Nolte (am Ende mit Palminteris Hilfe) prügelt sich mit dem FBI, dem Militär und seiner Gattin herum, die ihm den Seitensprung nicht verzeiht. Und was eine Hiobs-Geschichte werden wollte, ist nur ein Spiel mit Formen und Behauptungen. Der Originaltitel des Film bezieht sich übrigens auf einen endlos langen, steilen Geröllhang. Unliebsame Klein- und Großgauner werden von der "Hat Squad" gerne diesen Hang 'runtergeschubst; die meisten Opfer überleben das nicht. Aber auch dieses Motiv wird im Film viel zu spät und dann - wortwörtlich - platt aufgegriffen. Nach eigenen Regeln ist ein Anstatt-Film. Er gibt Hinweise, Zitate, legt Spuren, baut Motive auf - anstatt eine Geschichte zu erzählen.
Victor Lachner
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