MR. SHI UND DER KLANG DER ZIKADEN

Ruhe und Ermüdung

Wayne Wangs Kammerspiel über einen chinesischen Vater und dessen Tochter in Amerika

Ein Ozean des Unverständnisses liegt zwischen Vater und Tochter. Mr. Shi (Henry O) reist aus China in die USA, um seiner Tochter Yilan (Faye Yu) nach der Scheidung beizustehen. Aber Yilan ist die Anwesenheit des Vaters eher unangenehm. Mit seinen gut gemeinten Ratschlägen kann sie nichts anfangen, genauso wenig wie mit den überdimensionierten Menüs, die der alte Mann jeden Abend für sie kocht. "Es ist halb zwölf. Schlafenszeit. Du musst morgen arbeiten" ermahnt der Vater die Tochter, die nachgibt und das Licht in ihrem Zimmer löscht.

Mit den Eltern ist man immer Kind, auch wenn man mit Mitte Dreißig längst sein eigenes Leben lebt. Aber es sind nicht nur die klassischen Generationskonflikte, die Vater und Tochter trennen, sondern auch die kulturelle Diskrepanz zwischen chinesischer und amerikanischer Welt. Dass die Tochter abends alleine ausgeht, wird vom Vater missbilligt, und als Mr. Shi erfährt, dass Yilan ihren Mann verlassen hat, weil sie sich in einen verheirateten Russen verliebt hat, versteht er die Welt nicht mehr.

Wayne Wangs Film ist fast ein Kammerspiel. Nur selten verlässt die Kamera die gesichtlose Wohnung, in der Mr. Shi seine Tage verbringt, während Yilan im Büro ist. Manchmal geht er in den Park, wo er eines Tages eine Iranerin kennenlernt. Die beiden können sich verbal kaum verständigen. Nur wenige Brocken Englisch stehen zur Verfügung. Schon nach wenigen Worten verfällt jeder in seine eigene Sprache. Dennoch zeigt sich in der entschlackten Kommunikation, dass man komplizierte Gefühlslagen radebrechend erläutern kann, wenn man in der gleichen Lebenssituation steckt.

Mit seinem gleichförmigen Erzählrhythmus, der durch die abendlichen Mahlzeiten von Vater und Tochter strukturiert wird, verschafft Wang den einzelnen Sequenzen Platz zum Atmen. Allerdings ist das, was er in seinen unbewegten Einstellungen zeigt, nicht wirklich befriedigend. Die Kamera entdeckt wenig. Ruhe und Ermüdung liegen dann doch etwas zu dicht beieinander.

Martin Schwickert

A Thousand Years of Goog Prayers. USA/J 2007 R: Wayne Wang B: Yiyun Li nach einer Kurzgeschichte von Yiyun Li K: Patrick Lindenmaier D: Henry O, Faye Yu, Vida Ghahremani