MR. NICE

Guter Stoff

Das Portrait des nettesten Drogenhändlers der 70er Jahre

Howard Marks hat in England nicht nur mit dem besten Haschisch gedealt, das man aus Afghanistan und Pakistan bekommen konnte, er hatte auch einen Sonderdeal mit dem englischen Geheimdienst laufen. Der Deal versprach ihm ungestörtes Arbeiten, solange er ein paar nützliche Informationen parat hatte. Da der Drogen-Import über Kanäle der IRA lief (wovon die selbst nichts wusste) hatte Marks dem Geheimdienst wohl einiges zu erzählen.

Diese leicht wahnsinnige Konstellation zwischen spießigen englischen Schnüfflern und dem lässigen Hippie bildet das Handlungsgerüst in Bernhard Roses Gaunerkomödie, die auf den Memoiren von Howard Marks beruht, der laut US-Drogenbehörde in den 70ern für gut zehn Prozent des weltweiten Haschisch-Handels zuständig war. Marks' Memoiren wurden in England ein Bestseller, er tourt heute um die Welt und hält Vorträge über sich, sein Leben und darüber, wie klug es wäre, weiche Drogen zu legalisieren.

Im Film ist Rhys Ifans freundliches Gesicht das von "Mr. Nice", der nie eine Waffe anfasst oder überhaupt Gewalt anwendet. Mit leicht somnambulem Charme geht Ifans als Howard Marks seiner Tätigkeit nach, organisiert sein kleines Imperium ohne Brüllerei und anderes Macho-Gehabe und gründet dabei noch eine Familie, deren Oberhaupt Cloe Sevigny ist, die hier mit leicht weinerlichem Muffelcharme ihre Rolle als Nicki aus Big Love nahtlos fortzusetzen scheint.

Regisseur Bernhard Rose, der sein eigenes Drehbuch verfilmte, versucht erst gar nicht, die bekannte Story durch falsche Dramatik spannend zu machen; wie's ausgeht, kann schließlich jeder nachlesen. Mr. Nice konzentriert sich vielmehr auf Details, schaut mit Liebe in die heruntergekommene Behausung eines IRA-Kämpfers, der offensichtlich nicht mehr alle auf der Laterne hat, feiert das Lebensgefühl der späten 60er und lässt sich viel Zeit für die kleinen, netten Momente im Drogengeschäft, wenn der Chef etwa mal wieder sein eigenes Zeug probiert und sicher ist, den besten Stoff zu liefern.

Das alles verdichtet sich über die Jahrzehnte hinweg zum witzigen Portrait eines originellen Mannes, den wir zu Beginn und am Ende des Films auf einer Bühne stehen sehen und der uns und dem Publikum sein Leben erzählt. Am Ende wird er sagen: "Es sind ja wohl keine Polizisten im Saal!", und dann steckt er sich in aller Ruhe eine dicke Tüte an.

Victor Lachner

GB 2010 R & B & K: Bernhard Rose D: Rhys Ifans, Cloe Sevigny, David Thewlis