MORGENTAU

Drachenjungs

Ein Portrait der gescheiterten afrikanischen Hoffnungen

Der äthiopische Intellektuelle Anberber kehrt, nach langem Deutschland-Aufenthalt, an Leib und Seele zerstört, in sein Dorf zurück. Seine Albträume lassen ihn nachts schreien, weshalb man ihn im Dorf für "verhext" hält. Verbittert humpelt Anberber tagsüber durchs Dorf und sieht, wie die Armee junge Männer zwangsrekrutiert, weshalb sich immer mehr Jungs aus dem Dorf in Höhlen in den Bergen verstecken.

In Rückblenden erleben wir Anberbers Scheitern. Wie er sich in Deutschland den Kommunisten anschloss. Wie sie begeistert waren, als der Sturz des Diktators Haile Selassie bekannt wurde und wie sie voller Ideale zurück nach Äthiopien kamen, um dort am Aufbau des Landes teilzunehmen. Und wie dort alles bald im dumpfen Terror einer neuen Diktatur versank, diesmal unter sowjet-kommunistischen Vorzeichen. Als Anberber von der Partei zurück nach Deutschland geschickt wird, attackieren ihn dort Nazis und bringen ihn fast um.

Regisseur und Drehbuchautor Haile Gerima erzählt das in Bildern, in denen sich die Zerrissenheit des Helden spiegelt: Die Enge der Städte gegen die weiten, öden Landschaften der heimatlichen Steppe. Die Nestwärme linker Diskussionszirkel bei Wein, Zigaretten und viel Gelächter gegen die kalten Vorzimmer der Politik und ihre mörderischen Rituale. Anberber erlebt eine Liebesgeschichte im Dorf und eine in den Städten, beide sind schwierig, aber nur die Liebe zur im Dorf geächteten Geliebten findet Erfüllung. Die Befreiung kommt aus den Dörfern, nicht aus den Städten - es ist interessant, wie der in den USA lebende Gerima diese Mainstream-Ideologie der US-Kultur auf sein Land überträgt.

Am Ende der 140 Minuten bleibt die Kamera auf den Gesichtern der jungen Männer stehen, die sich in den Höhlen vor den Soldaten verstecken. Und aus dem Off wird ein Drachenmythos zitiert, wonach die jungen Männer beschützt werden und die ganze Hoffnung des Volkes darstellen. Anberbers Geliebte wird in dieser Höhle ihr gemeinsames Kind zur Welt bringen, beschützt von den Drachenjungs.

"Wenn ich heute nach Äthiopien gehe, ist das ganze Land ein Albtraum für mich", sagt Haile Gerima. Und dass es wichtig sei, seine Geschichte zu erzählen und die von Afrika, damit kommende Generationen darauf aufbauen könnten. Für die Gegenwart, so auch der Tenor von Morgentau, ist jedenfalls nichts Gutes zu erwarten.

Victor Lachner

Teza. Äthiopien/D/F 2008 R & B: Haile Gerima K: Mario Masini D: Aaron Arefe, Abiye Tedla, Takelech Beyene