MONTECRISTO

Kalte Rache

Kevin Reynolds hat den Dumas-Klassiker solide und spannend adaptiert

Neben den Dramen William Shakespeares gehören die Romane von Alexandre Dumas zu den beliebtesten Kinostoffen der Literaturgeschichte. Ganze 108 Dumas-Verfilmungen zählt die International Movie Database . Allein 19 fallen davon auf den Graf von Monte Cristo . Liebe und Eifersucht, Freundschaft und Verrat, Gefangenschaft und Befreiung, Seeabenteuer und Schatzsuche, unermeßlicher Reichtum und grenzenlose Rache - Dumas 1000 Seiten starker Abenteuerroman hat mehr dramatischen Input als die komplette Jahresproduktion eines Hollywood-Majors.
Regisseur Kevin Reynolds, der zuletzt mit Kevin Kostner in Waterworld baden ging, hat den 1846 erschienenen Roman nun überraschend solide neu verfilmt. Keine krampfhafte Modernisierung, keine Anpassung ans digitale Effektekino, keine eitlen Regiesperenzien.
Schon der schlichte Titel Montecristo weist darauf hin, dass hier einfach nur eine gute Geschichte noch einmal erzählt werden soll. Mit eindringlicher Leinwandpräsenz spielt Jim Caviezel ( Thin Red Line ) den jungen, idealistischen Schiffskapitän Edmund Dantès, der für den auf Elba gefangenen Napoleon einen Kurierdienst übernimmt und von seinem besten Freund Mondego (Guy Pearce) verraten wird, weil dieser ein Auge auf Dantès schöne Geliebte (Dagmara Dominczyk) geworfen hat. Dreizehn Jahre verbringt Edmund unschuldig hinter dicken Festungsmauern, bis ihm ein Mitgefangener zur Flucht und zu einem geheimen Schatz auf dem Meeresgrund verhilft. Gut betucht kehrt Edmund als Graf von Monte Cristo zurück in die vornehme Pariser Gesellschaft, um Rache an Mondego und seinen Helfershelfern zu nehmen.
Genauso wie Romeo & Julia zurecht als die Mutter aller Liebestragödien gilt, ist Der Graf von Monte Cristo so etwas wie die Ursuppe aller Rachegeschichten. Auch in Reynolds stringenter Neuverfilmung bleibt einem immer noch das Herz stehen, wenn der zutiefst unschuldige Edmund vom Fleck weg in den Kerker gesperrt wird, um später als prunkvoller Racheengel in einem Heißluftballon zurückzukehren. Glücklicherweise hat Reynolds der Versuchung widerstanden, Dumas feingliedrige Revenge-Story zu schwarzeneggerisieren. Jim Caviezel behält bei seiner Wandlung vom naiven Seemann zum erbitterten Rächer die Zerbrechlichkeit seiner Figur im Auge, und auch Guy Pearce (Memento) als Bösewicht Mondego verliert im Untergang nicht seine schillernde aristokratische Aura. Stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen und ein Fechtfinale in wogenden Kornfeldern veredeln dieses gelungene Mantel-und-Degen-Remake zu einem klassischen Cinemascope-Vergnügen.

Martin Schwickert

The Count of Monte Cristo USA 2002 R: Kevin Reynolds B: Jay Wolpert K: Andrew Dunn D: Jim Caviezel, Guy Pearce, Dagmara Dominczyk