jMONDOVINO
Demokratischer Wein Wie man Geschmack weltweit auf Linie bringtDer Wein ist tot. Und nicht nur der Wein. Auch der Käse und das Obst" sagt der französische Winzer Aimé Guibert. Für ihn ist Weinbau Poesie, durch die der Mensch sein Verhältnis zur Natur und zum Leben definiert. Guibert wurde in Südfrankreich zur Gallionsfigur des Widerstandes, als sich der amerikanische Weinmulti "Mondavi" im Languedoc ansiedeln wollte. Ein Waldplateau sollte gerodet werden, in dem der US-Konzern ein "großes Potenzial" sah.
Die Mondavi-Familie besitzt ein milliardenschweres, börsendotiertes Weinimperium, das sich in italienischen Weinadel eingekauft hat und sogar mit der französischen Nobelwinzerei "Mouton-Rothschild" kooperiert. "Opus One" heißt die gemeinsam entwickelt Edelmarke aus dem Napa Valley, die auf Auktionen schon einmal mit 2500 Dollar die Flasche gehandelt wird.
Während die Amerikaner auf Markenweine setzten, die eine möglichst gleich bleibende Qualität erzielen, um der Nachfrage des Weltmarktes gerecht zu werden, beschwören alte französische Winzer wie Guibert das "Terroir", das Zusammenspiel von Rebsorte, Lage, Bodenbeschaffenheit, Klima - kurz: die Summe von Faktoren, die an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit eine spezifische Weinqualität hervorbringt.
In seiner Dokumentation Mondovino zeigt Jonathan Nossiter am Beispiel des Weinmarktes, wie grundlegend und unumkehrbar die Kräfte der Globalisierung wirken.
Nossiter besucht störrische Winzer in Burgund, die sich dem internationalen Massengeschmack verweigern, und fährt mit dem Önologen Michel Rolland in einem Mercedes der S-Klasse kreuz und quer durch Bordeaux. Rolland ist ein gefragter Mann. Er hat eine Nase dafür, wie ein Wein schmecken muss, damit er auf der Weltmarktpreisliste ganz nach oben klettert. Rolland agiert als Berater in Frankreich, Kalifornien, Australien, Chile und träumt davon, auch bald in Japan Wein anbauen zu können.
Der mächtigste Mann im Business um die edlen Tröpfchen ist der Weinkritiker Robert Parker. Sein jährlich erscheinender "Parker's Wine Buyer's Guide", in dem über 8000 Weine bewertet werden, hat entscheidenden Einfluss auf die Marktpreise.
Viele Chateaus in Frankreich komponieren ihre Weine längst nach dem Parker-Geschmack. Während die Weinwelt vor seinen Urteilen zittert, sieht sich Parker allerdings eher als Demokratisierer, der das Genussmittel von seinem früheren elitären Dasein befreit hat.
Bei aller Globalisierungskritik wird Nossiters Dokumentation nie zum platten politischen Pamphlet. Zwar zeigt Mondovino die gnadenlose Mechanik des Weltmarktes, der über Jahrhunderte gewachsene Traditionen innerhalb kürzester Zeit zunichte macht. Aber vor allem vermittelt Nossiters Film ein Gefühl für den sinnlichen Verlust, der mit dem globalen Homogenisierungsprozess für die Weinbauern und Weintrinker einher geht.
Martin Schwickert
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