MILK

Schwule Geschichte

Sean Penn als Homo-Aktivist und Politker Harvey Milk

Normalerweise hinkt Europa bei Trends und Bewegungen aus den USA immer ein wenig hinterher. Was die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften angeht, verhält es sich genau umgekehrt. Während sich das Thema bei uns normalisiert hat, ist darüber in Übersee gerade wieder eine hitzige Debatte entbrannt. Auch an Hollywood ist die Kontroverse nicht spurlos vorübergegangen. Mit Filmen wie Brokeback Mountain mischt sich die Traumfabrik ein. Milk ist der nächste Film aus dieser Kategorie. Gus Van Sant ( Good Will Hunting ) beschreibt darin die authentische Lebensgeschichte des ersten bekennend schwulen Stadtrats der Vereinigten Staaten.

Harvey Milk (Sean Penn) ist bereits über vierzig Jahre alt, als er 1972 mit seinem Freund aus New York nach San Francisco zieht. Im Stadtteil Castro muss der schwule Bürgerrechtler mit ansehen, wie argwöhnisch Homosexuelle von Bevölkerung und Polizei beäugt werden. Milk beschließt, sich für den Stadtrat zu bewerben und sich vehement für verbesserte Schwulenrechte einzusetzen. Nach mehreren vergeblichen Anläufen gelingt ihm 1977 tatsächlich der Einzug.

Doch die Ressentiments gegen seine Person bleiben. Nach einer politischen Auseinandersetzung mit seinem konservativen Kontrahenten Dan White (Josh Brolin), die Milk für sich entscheidet, kommt es am 27. November 1978 zu einem tödlichen Attentat. Milk ist nur auf den ersten Blick ein Biopic, das sich dreißig Jahre nach seinem Tod mit dem Leben von Harvey Milk befasst. Gus Van Sant geht es bei seiner Rückkehr ins Mainstreamkino vielmehr um die gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Er zeigt die Ängste und Vorurteile gegenüber Homosexuellen, die in den 1970er Jahren nicht nur in San Francisco vorherrschten. Zudem gewährt er einen Einblick in die Wahlkampfstrategien amerikanischer Kommunalpolitiker. Eindrucksvoll beschreibt er die Grabenkämpfe um Stimmen. Sogar die eigene Klientel muss erst überzeugt werden. Zunächst bleiben die Homosexuellen der Wahlkabine fern. Erst als sich Milk einen neuen Haarschnitt verpasst und mit charismatischen Reden unter Beweis stellt, dass er es wirklich ernst meint, schafft er die Wende.

Das Drama lebt dabei von seinem starken Hauptdarsteller. Sean Penn verleiht dem Aktivisten einen latent schwulen Habitus, der weder aufgesetzt noch affektiert anmutet. Vermutlich würde er gar nicht auffallen, wenn das Thema Homosexualität im Film nicht derart dominant wäre. Eine ähnliche Bravourleistung lieferte zuletzt Philip Seymour Hoffman ab, als er in die Haut von Truman Capote schlüpfte.

Oliver Zimmermann

USA 2008 R: Gus Van Sant B: Dustin Lance Black. K: Harris Savides D: Sean Penn, Josh Brolin, Emile Hirsch, James Franco