DAS MEDAILLON

Last Man Flying

Jackie Chan kriecht in den Computer

Ganze 86 Filme hat Jackie Chan bereits in seinem Lebenslauf stehen. Die meisten davon wurden in Hongkong für den asiatischen Markt produziert. Aber spätestens seit der charmante Kampfkunstvirtuose 1998 mit Rush Hour auch Hollywood eroberte, gilt Chan als internationales Markenzeichen. In seine Filme geht man nicht wegen ausgeklügelter Plotstrukturen oder geistreicher Dialoge, sondern einfach nur, um zu staunen. Was dieser an der Peking-Oper ausgebildete Action-Star mit seinem Körper anstellt, ist immer wieder spektakulär. Ein Kung-Fu-Derwisch, der seine Kampfballetts stets mit einem gewinnenden Lächeln austrägt. Ein Stunt-Genie, das sich in die halsbrecherischsten Situationen begibt, um sein Publikum zu unterhalten. Jackie Chan ist einer der letzten physischen Helden des modernen Kinos, der mit lächelnder Nonchalance Leib und Leben in die Waagschale wirft - ganz im Gegensatz zu all den Matrix -Helden, die ihre übernatürlichen Kräfte per Mouse-Click von der Festplatte herunterladen.
Aber auch der Meister der Akrobatik kommt in die Jahre und liebäugelt seit seiner letzten US-Produktion Tuxedo mit computergenerierten Effekten. In seinem neuen Film Das Medaillon werden zur Rechtfertigung ein paar Fantasy-Elemente in den Plot integriert. Im Zentrum der Auseinandersetzung steht ein Amulett, das seinem Besitzer Unsterblichkeit garantiert. Ein Schurke (Julian Sands) mit beringten Fingern, wehendem Mantel und internationalen Verbindungen strebt nach Weltmacht, und ein buntgemischtes Asia-Euro-Agenten-Konsortium versucht dies zu verhindern. An Jackie Chans Seite kämpft die schmucke Claire Floriani, die sogar das unausgesprochene Zölibat des Kampfkunstmeisters dezent in Frage stellen darf, und als clownesker Sidekick der britische Komiker Lee Evans ( Verrückt nach Mary ).
Je weiter die krude Handlung voranschreitet desto stärker verlagern sich Action-Szenen in Richtung Computereffekte. Jackie alias Eddie wird durch das Medaillon zu einer waschechten Wiederauferstehung verholfen, und in seinem zweiten Leben mutiert der Hongkong-Cop zum unkaputtbaren Helden. Digital animiert saust Chan durch die Lüfte und schaut verwundert zu, wie die Einschusslöcher in seinem Körper sekundenschnell verheilen. Die Figur lebt weiter - aber mit den virtuellen Mätzchen beginnt ein Leinwandmythos zu sterben. Denn wenn selbst ein Jackie Chan nicht mehr mit seiner physischen Präsenz für seine Filme einsteht, dann ist das Actionkino endgültig an die Videospielindustrie verloren.

Martin Schwickert

The Medaillon Hongkong/USA 2003 R: Gordon Chan B: Bennett Joshua Davlin, Alfred Cheung, Gordon Chan, Paul Wheeler, Bey Logan K: Arthur Wong D: Jackie Chan, Lee Evans, Claire Forlani, Julian Sands