The Master Das große Nichts Paul Thomas Anderson hat einen ambitionierten Kostümfilm über die 50er gedreht Die Geschichte ist einfach und funktioniert nicht: Der Säufer Freddie Quell stößt nach Ende seiner Marinezeit auf den wohlhabenden Lancaster Dodd, der eine Sekte anführt, die an Wiedergeburt, Monster aus dem Weltraum und innere Selbstüberwindung glaubt. Dodd mag vor allem Freddies Künste, aus praktisch jeder Flüssigkeit (vom Flugbenzin bis zum Farbverdünner) aufregende Cocktails mischen zu können. Freddie ist Dodds Männerfreund, Hausmeier, Sicherheitschef, Mundschenk - und nichts von alledem. In die High Society, die Dodd mit seinen Ideen beeindruckt, passt Freddie einfach nicht hinein (er hat, neben seinem Prollgehabe und seinem Alkoholismus, auch eine psychiatrische Vorgeschichte). Dodds Familie fordert, dass Freddie gehen müsse. Eines Tages geht Freddie, Dodd geht nach England, Freddie reist ihm nach, Dodd schickt ihn wieder weg - dann sind zweieinhalb lange Kinostunden rum und man fragt sich ernsthaft, was man da eigentlich gesehen hat. Die biografischen und inhaltlichen Anspielungen auf Scientology und deren Gründer L. Ron Hubbard sind offenkundig. Da The Master aber kein Film über Sekten und Seelenrettung ist, sondern über Männerfreundschaft, stehen die Ideen, die Philip Seymour Hoffman im Film verkündet, seltsam bedeutungslos in der Geschichte herum. Sie interessieren Regisseur und Autor Paul Thomas Anderson nur insofern, als er so manche Psychositzung zwischen Hoffman und Joaquin Phoenix (als Freddie) nutzen kann, um zwei vollkommen egomane Schauspieler aufeinander loszulassen: Wer bekommt für diese viel zu lange Szene eher den Oscar, du oder ich? Phoenix und Hoffman veranstalten einen großartigen Mummenschanz. Hoffman spielt seinen Dodd als würde Orson Welles versuchen, Hemingway zu spielen. Phoenix hat sich eine Palette an schwer zu meisternden Macken zurechtgelegt, um seinen Freddie mit Leben zu füllen: Schiefer Mund, schiefer Gang, irrer Blick, nuscheln bis zum Unverständlichen - irgendwo zwischen Billy Bob Thornton und Daniel Day-Lewis schimmert dieser Freddie Quell, was leider keine Rolle spielt, da einem alle Figuren des Films recht fremd bleiben (was wohl beabsichtigt war). Das Buch zu The Master folgt einer langgehegten Idee Andersons, der für diesen Film liegengelassene Szenen aus seinem letzten Film There will be Blood und Magnolia verwendete. So reiht sich eine Szene an die andere, ohne dass die Geschichte einen Sinn ergäbe. Andersons Liebe gehört hier offenkundig nicht der kohärenten Erzählweise (dafür sind die Lücken in der Erzählung zu deutlich) mehr der monumentalen Geste. So wie There will be Blood darunter litt, dass alles eine Nummer zu groß war, leidet The Master an seinen Gesten der Übergröße. Mit 30 Millionen Dollar war The Master eher schmal budgetiert. Da Anderson aber den Film auf 65mm drehte und The Master vor allem eine Schau der Kostüme und Decors ist (die 50er leuchten hier so wie sonst nur die 60er in Mad Men), stieg Universal aus dem Filmprojekt aus, das Anderson dann irgendwie zu Ende brachte. The Master ist nur groß, nicht genial. Dass er nicht langweilt, ist den zum Teil großartigen Szenen geschuldet, die leider sinnlos nebeneinander stehen. Zwischen den monströs aufgeblähten Hauptdarstellern Hoffman und Phoenix machen Nebenfiguren wie Amy Adams oder Laura Dern (die aussieht und auftritt, als würde sie mal kurz aus ihrer genialen Serie Enlightened vorbeischauen) einen guten Job. The Master ist ein faszinierend übergroßes Nichts, ein Geschichte über Geschichten, ein Portrait ohne psychologisches Interesse, eine Kostümshow ohne Absicht. Und ein Film für die Schauspiel- und Regieschule: Und jetzt, liebe Schüler, zeigen wir euch, wie man einen Wutausbruch mit zwei großartigen Schauspielern in nur einer Einstellung und ohne Close-up dreh. Kann man so machen. Muss man aber nicht. Thomas Friedrich USA 2012 R & B: Paul Thomas Anderson K: Mihai Malaimare Jr D: Joaquin Phoenix, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Laura Dern
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