THE MAN WHO WASN'T THERE Die Frau des Frisörs
Die Brüder Coen in schwarz und weiss und seltsam Ich kam etwas zu spät zur Vorstellung, des Verkehrs wegen. Aber vor mir war gar keiner gekommen, und die Kasseuse bedankte sich für die ironisch gemeinte Karten-Bestellungs-Übersetzung ("Einmal für den Mann der nicht da war") mit ernsthafter Anstrengung, den ausgefallenen Vorführer zu finden. So wurde es doch noch ein interessanter Abend. "The Man who wasn't there". Die weisse Titelschrift wirft einen Schatten auf das erste Bild des schwarz-grauen Films, so als schwebte sie wirklich über dem Frisörsalon, in dem alles anfängt. Und als hätten Joel (Regie) und Ethan Coen (Produktion) die langen Planungs-Jahre ("The Man" wurde schon am Set von "Hudsucker Proxy" erfunden) hauptsächlich mit Beleuchtungsstudien verbracht. Mit Erfolg. In jedem Bild kann man versinken, im Dunklen wie im Hellen; weiche Kanten umspielen die vielen Film Noir-Zitate, und auch wenn die Hauptperson nur als Silhouette im Vordergund steht, erstreckt sich dahinter eine ganze Welt in feinst abgestimmten Grau-Tönen. Es ist Ed Cranes Welt (Billy Bob Thornton), Ende der 40er in Norkalifornien, in der er schweigend seinem Tagwerk nachgeht: immer die gleichen Facon-Schnitte machen, filterlose Zigaretten rauchen, den unentwegt plappernden Schwager ertragen (Michael "Practice" Badalucco) und seiner Frau Doris (Frances McDormand, Joels Coens Ehefrau) die Beine rasieren, während er im durchgehend kommentierenden Voice Over Text müde feststellt, dass die Kaufhaus-Buchhalterin wohl mit ihrem Chef Dave (James "Sopranos" Gandolfini") ein Verhältnis hat. Plötzlich bietet sich ein Chance: ein Kunde schwatzt ihm ein Investment auf. Chemische Reinigung sei das Ding der Zukunft, 10.000 Dollar würden reichen. Ed erpresst - anonym - Dave, der holt sich ausgerechnet bei Ed Rat, zahlt, und ist plötzlich tot. Ed war es, aber Doris wird verhaftet, weil sie mit Dave die Kaufhaus-Bücher fälschte, um dessen Frau auszurauben. An dieser Stelle übernimmt der Plot-Twist-Tick der Coens die Regie. Vorher fiel es gar nicht auf, dass die Personen mehr dem Stil-Willen als irgendeiner Psychologie folgen; aber nun muss Ed sich in Schulden stürzen, um einen Star-Anwalt zu besorgen. Und Doris sich im Knast aufhängen. Und Ed eine Lolita-Phase mit Nachbars Töchterlein kriegen. Und und und. Es gibt wundervolle Bilder, es gibt langsame Kunst, überraschende Wendungen und präzise Motiv-Variationen - man möchte alle paar Minuten den Film anhalten und Prüfungsfragen für Filmschüler stellen. Aber das künstliche Drama des Mannes, der keinen Platz im Leben findet, bringt einen nie dazu, ihn dann wieder weiter laufen lassen zu wollen. Ein paar extreme Volten (ein UFO tritt auf, eine Tote erscheint) ersetzen den Spannungsbogen; insgesamt ist "The Man" eher ein Hypertext als eine Story. Zum reflektierenden Hin- und Her-Blättern zwischen Eselsohren-Stellen. "The Man" ist filmisch in den Bildern, überaus literarisch im Konzept, und dazwischen: bloß präsent. Jeder Augenblick ist eine Schau, aber keiner sehnt sich nach dem nächsten. Trotzdem ist der 2001-Regie-Preis in Cannes verdient, der Platz im Akademie-Regal sicher, aber im Herzen bleibt der Film nicht. Wie "Hudsucker"; schon komisch, dass europäische Kritiker mehr Kitsch einfordern, wenn Amerikaner mal mehr Godard machen.
WING
USA 2001. B/R: Joel & Ethan Coen. K: Dennis Gassner. D: Bill Bob Thornton, Frances McDormand, Michael Badalucco, James Gandolfini, Richard Jenkins
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