Der Mandant Anruf genügt Ein Anwaltskrimi der ganz alten Schule Mick Haller ist ein Anwalt auf dem Sprung. Statt eines Büros hat er einen schicken Lincoln, mit dem er von Termin zu Termin fährt und seinen Klienten hilft. Drogensüchtige, Dealer und Nutten sind seine wichtigste Klientel. Und als der wegen Totschlages angeklagte Louis Roulet, ein Spross aus reicher Sippe, nach Haller verlangt, wundert der sich erstmal: Söhne aus reichem Hause fragen in der Regel nicht nach Winkeladvokaten. Es dauert ein bisschen, bis wir zusammen mit Mick Haller verstanden haben, was für eine komplizierte Geschichte sich hinter dieser Intrige verbirgt. Es geht eigentlich um einen Mord, der schon länger zurückliegt. Und es geht darum, dass sich Mick Haller nicht gerne reinlegen lässt. Brad Furmans The Lincoln Lawyer (O-Titel) sieht aus wie ein TV-Stück aus den 70ern, als Detektive in Wohnwagen lebten und Anwälte an ihrem Haus bauten, das sie niemals bezogen. Es geht mehr um ein Lebensgefühl als um den Plot. Matthew McConaughey als Haller präsentiert uns eine unglaubliche Mischung aus Arroganz und Verletzlichkeit. Er kann seine Mandanten, wenn die nicht zahlen, ohne mit der Wimper zu zucken im Knast versauern lassen. Und er kann sich bis zur Oberkante Unterlippe voll laufen lassen, wenn die Ungerechtigkeit der Welt mal wieder über ihm zusammenschlägt. "Die Unschuldigen zu verteidigen ist die Hölle" - diese Weisheit hat ihm sein Vater hinterlassen (oder bei David E. Kelley abgeguckt). McConaughey zur Seite stehen eine pfiffige Marisa Tomei (als seehr freundschaftlich verbundene Ex-Frau und Staatsanwältin) und der wundervolle William H. Macy als Hippie-Detektive. Und alle zusammen spielen ein bisschen Detektive Rockford und Petrocelli, und irgendwann fällt Marisa Tomei betrunken mit ihrem Kerl wieder ins Bett, und dann feuert er die gemeinsame Tochter beim Fußball an und alle zusammen machen ein Picknick - und dann liegt plötzlich jemand erschossen am Boden. Und die ganze Idylle ist nicht mehr Wert als die verbissene Hartnäckigkeit von Anwalt Mick Haller, der einen grandiosen Stunt durchführt, um alles, was ihm wichtig ist, zu beschützen. Neben der angenehm unaufgeregten Regie von Brad Furman ist vor allem die Kamera von Lukas Ettlin beeindruckend, der Los Angeles auf höchst ungewöhnliche Weise fotografiert; er hatte direkt davor die gleiche Stadt mit genialer Wackelkamera in World Invasion: Battle Los Angeles gefilmt. Ettlins Bilder unterstützen so unaufdringlich wie die Regie den kleinen Rahmen, das familiäre Ambiente. Vor allem seine Innenaufnahmen sind von bemerkenswerten Tiefenschärfen und Lichtsetzungen geprägt. Der Mandant mit seiner soliden Konstruktion, seiner überschaubaren Erzählweise und seinem völligen Verzicht auf Mätzchen ist eine erstaunliche Teamleistung. Man müsste sich eigentlich langweilen. Aber man geht aus dem Kino mit dem leisen Bedauern, dass die 70er vorbei sind. Oder eben doch nicht so ganz. Thomas Friedrich The Lincoln Lawyer USA 2011 R: Brad Furman. B: John Romano; n.e. Roman von Michael Connelly D: Matthew McConaughey, Marisa Tomei, Ryan Phillippe, William H. Macy
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